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TV-Kritik/Review: "Animal Kingdom"

Ellen Barkin überzeugt in Serienadaption - von Gian-Philip Andreas
(28.06.2016)

Smurf (3.v.r), ihr Neffe J (2.v.l.) und die vier "Brüder"
Smurf (3.v.r), ihr Neffe J (2.v.l.) und die vier "Brüder"


David Michôds filmisches Crime-Drama "Animal Kingdom" wurde 2010 zwar x-fach ausgezeichnet und weithin gefeiert, in die deutschen Kinos kam es allerdings nicht - wie so viele Filme, die weder in gängige Mainstream-Schablonen noch in die üblichen Arthouse-Nischen passen. Der Film wurde unter dem einigermaßen beknackten Titel "Königreich des Verbrechens" direkt auf dem DVD-Markt versenkt, mauserte sich dort aber immerhin zu einem Geheimtipp. Wenn nun die von  "Southland"-Produzent und  "The District - Einsatz in Washington"-Autor Jonathan Lisco für den Sender TNT besorgte Serienfassung ein Gutes hat, dann ist es, dass sie den Blick ein weiteres Mal auf dieses Kino-Kleinod lenkt, dem man nur so viele Zuschauer wie möglich wünschen kann. Daneben ermöglicht die Serie durch ihre wesentlich längere Laufzeit (zehn Episoden) und einige Abweichungen aber auch neue, tiefer reichende Perspektiven auf den Plot und auf die Grundkonstellation der Geschichte, die Michôd damals an einen realen Kriminalfall im Australien der Spätachtzigerjahre anlehnte.

In Film und nun auch  Serie (der Michôd und Produzentin Liz Watts als Executive Producers erhalten bleiben) geht es unter löblicher Vermeidung herkömmlich elendspornografischer Sozialdramenweinerlichkeit um eine kriminelle Familie - bestehend aus vier (Halb-)Brüdern von Anfang zwanzig bis Anfang vierzig und ihrer dominanten Mutter, die den Laden als Chefin und Cheforganisatorin zusammenhält. Man lebt mehr oder weniger in einem großen Haus zusammen, hat dennoch Geheimnisse voreinander, und Mutti wacht über ihre Kinder wie eine "Patin". Die Serie holt den Plot aus der Vorstadt von Melbourne in die öde südkalifornische Suburbia. Es gibt dadurch mehr Sonne und mehr Meer, die generelle Anmutung der matriarchal geführten Familie bleibt aber deckungsgleich: Man operiert im Raubgewerbe, womöglich im organisierten Verbrechen, sieht aber aus wie White Trash oder "trailer trash losers", wie die Brüder hier von ein paar Surfern bezeichnet werden. Was diese bitter bereuen werden.

Als Protagonist und Beobachterfigur wird in diese Welt eingangs der 17-jährige Joshua, genannt J, geschleust, von Finn Cole ( "Peaky Blinders") mit blankgesichtiger Mariogötzigkeit so naiv gespielt, dass seine Funktion als Zentralgestalt einer Coming-of-Age-Erzählung vom ersten Moment an unmissverständlich festgenagelt ist. Während J auf eine Quizshow starrt, hängt seine Junkie-Mutter in der Eröffnungsszene reglos auf dem Sofa ­- woran sich der Sohn offenbar gewöhnt hat. Als sich herausstellt, dass die Mutter nach einer Überdosis gestorben ist, ruft J stracks bei seiner Oma Janice Cody, genannt "Smurf" (wie "Schlumpf"), an. Die hat er zwar seit elf Jahren nicht gesehen, doch sie ist die einzige Verwandte in Reichweite. Von seinem Vater weiß er dagegen nicht einmal mehr den Namen, geschweige denn den Wohnort.

Brillant: Ellen Barkin
Brillant: Ellen Barkin


So landet J also in Smurfs Haus und darf zunächst die Cody-Brüder kennenlernen, die zugleich auch seine Onkel sind: Craig (Ben Robson) und Deran (Jake Weary aus  "Fred - The Show") etwa, die beiden jüngeren, die gerne halbnackt durch die Zimmer schlurfen, ihre beeindruckend trainierten Körper zur Schau stellen und als dauerbedröhnte Surferdudes Freizeitvergnügungen mit Gruppensex und Drogen nachgehen. Oder den älteren, smarten Adoptivbruder Baz (Scott Speedman aus "Underworld"), der am ehesten so etwas wie eine Mentorfigur für J sein könnte. Und den sinistren Pope (intensiv: Shawn Hatosy, den Lisco aus "Southland" mitgebracht hat), der vorzeitig aus dem Knast entlassen wird und mental wenig stabil wirkt. Schnell kristallisiert sich Pope als größte Bedrohung der Familie heraus, tatsächlich wirkt es angemessen psychopathisch, wenn er nachts, mit dem Vorschlaghammer in der Hand, nackt am Pool steht und in die Dunkelheit starrt oder begehrliche Blicke auf Js Freundin Nicky (Molly Gordon) wirft. (Nebenbei: Popes Besetzung mit Hatosy ist verwirrend, ähnelt er doch in Typ und Aussehen Joel Edgerton, der in der Filmfassung nicht Pope, sondern Baz spielte. Pope wurde im Film von  "Bloodline"-Star Ben Mendelsohn verkörpert.)

Über allen Brüdern thront, fröhlich Cupcake-Teig rührend und am Elektro-Entsafter hantierend, Smurf - gespielt von der inzwischen 62-jährigen Ellen Barkin, die man nicht genug dafür bewundern kann, dass sie sich diese prestigeträchtige Rolle schon in den ersten Auftritten rückstandslos anverwandelt. Schließlich hatte sie in die größten Fußstapfen zu treten: Jacki Weaver, die die Smurf-Rolle im Kinofilm spielte und dafür für einen Oscar nominiert wurde, spielt im Film so etwas wie die Rolle ihres Lebens. Barkin weiß um die Messlatte und legt Smurf jugendlicher, erotisch offensiver, auch freundlicher an, trashiger sogar, aber nicht weniger konsequent. Die Schauspielerin, die Ende in Komödien wie "Switch - Die Frau im Manne" als Mainstream-Komikerin berühmt und dann lange Zeit weg vom Fenster war, hat sich in jüngerer Zeit in Indie-Filmen ("Shit Year") und mit klug gewählten (wie sagt man: "reiferen") Parts auch im Fernsehen zurück in die Credibility-Zone gespielt. In Ryan Murphys kurzlebiger Sitcom  "The New Normal" etwa war sie als homophobe Rassisten-Oma das unangefochtene Highlight. Als Smurf variiert sie nun die in letzter Zeit in Mode gekommene Figur der Matriarchin eines kriminellen Clans (siehe Floyd Gerhardt in  "Fargo" oder Cherry Lockhart in  "The Affair"), indem sie die Rolle ambivalent zwischen verblühender Femme Fatale im knappen Lederjäckchen und patenter Küchenmutti anlegt: Einmal zwingt sie J, den Sohn ihrer soeben verstorbenen Tochter, sich seiner verdreckten Klamotten zu entledigen und macht die Szene zum quasi-inzestuösen Strip. Ein anderes Mal fragt sie die 16-jährige Freundin ihres Enkels, welchen ihrer viel älteren Söhne, auf deren Attraktivität sie sehr stolz ist, sie am anziehendsten finde. Es zeigt sich schnell, dass die übergriffige Smurf die interessanteste, abgründigste Figur der Serie sein dürfte.

Der Plot divergiert ansonsten durchaus vom Film: Pope hält sich in der Serie nicht vor der Polizei versteckt, sondern kommt frisch aus dem Knast; die Figur des im Film von Guy Pearce gespielten Detectives Leckie, der J als Kronzeugen gewinnen will, taucht so (noch?) nicht auf. Eine der Hauptfiguren wird im Film früh ermordet, doch dass die Serie das übernimmt, ist eher unwahrscheinlich.

Anderes hingegen wurde übernommen, vor allem die Initiation Js in den kriminellen Alltag, die im Film einen verhängnisvollen Abwärtsstrudel in Gang setzte. Schon am ersten Tag nehmen Darren und Craig ihn unter ihre korrumpierenden Fittiche, bald bekommt er eine Pistole in die Hand gedrückt und wird in einen Juwelenraub verwickelt, der fatal schiefgeht. Die Wandlung vollzieht sich allzu schnell: Schon am Ende der ersten Episode ist J zum Komplizen der Brüder geworden. Doch die Erzählung vom Jungen, der seine moralische Unschuld verliert, funktioniert nicht so gut wie im Film; es mag an den Drehbüchern der ersten Folgen liegen oder an Finn Coles sehr ausgestellter Naivität, dass man ihm diese prompte Vereinnahmung nicht ganz abnimmt. Interessanter sind ohnehin die Spannungen, die sich zwischen den Brüdern auftun: Popes Rückkehr aus dem Knast wird argwöhnisch beäugt, seine Wohnung wurde inzwischen verkauft, und selbst Smurf scheint ihren Ältesten für gefährlich zu halten. Darren verschweigt seine Homosexualität, wie J gefährlicherweise per Zufall herausfindet. Baz' Freundin Catherine (Daniella Alonso aus "The Hills Have Eyes II") hatte in der Vor-Knast-Zeit eine Affäre mit Pope, was Baz nicht wissen darf. Und alle gemeinsam zweifeln sie an Neuzugang J: Ist dem Jungen zu trauen?

Genug Konfliktstoff, um die Geschicke der Filmfiguren auf Staffellänge zu spreizen, hat Lisco sicher zusammenbekommen, doch den finalen Beweis dafür, dass es diese Serienversion wirklich geben musste, den bleibt er noch schuldig. Nicht immer nämlich stimmt der Tonfall. Der Styler-Vorspann etwa, der die Serie ab der zweiten Episode ziert und blutige Tätowierungsszenen, Sexfragmente und Gitterstäbe aneinandermontiert, erweckt durch den oft mit pumpenden Beats aufdringlich losnagelnden Soundtrack des kalifornischen Komponistenduos Alexis & Sam einen Eindruck, den auch ein paar übertrieben draufgängerische Dialoge vermitteln: dass sich hier eine Serie nämlich härter geben möchte, als sie ist. So gewinnt man bisweilen den Eindruck, als habe man sich in eine weniger pointierte Version von  "Sons of Anarchy" verirrt. Etwas mehr Ruhe und etwas weniger behaupteter Badassism entspräche dem Geist des Kinofilms jedenfalls eher: Der erzählte präziser in knapperer Zeit, trotzdem übertrugen sich wichtige Motivationslagen eindringlicher, etwa der Verlust der Mutter/Tochter, ein Aspekt, der in der Serie bislang unterbelichtet wirkt. Bleibt aber immer noch Ellen Barkin. Ihrer Figur wird man fraglos gerne weiter folgen.

Meine Wertung: 3.5/5

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "Animal Kingdom".

Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: TNT


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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