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TV-Kritik/Review: Constantine
(10.11.2014)
Hui buh: Gleich zu Beginn liegt John Constantine gefesselt und geknebelt in der Psychiatrie, lustvoll lässt er sich von Elektroschocks durchzucken. Ein Klacks ist das für jemanden, der die Hölle schon von innen gesehen hat! Nach fünf Minuten fliegt die erste Besessene durch die Luft, wenig später verwandelt sich eine liebe Oma in einen greisen Zombie, dem schwarzer Schmodder aus dem Totenmund suppt. Und sonst? Lateinische Beschwörungsformeln, ägyptische Symbole, Kakerlakenheere, Engelsflügel:
"Constantine" ist der dritte und letzte Beitrag (nach
John Constantine, dieser zynische Trickbetrüger, Westentaschen-Exorzist und Ghostbuster aus der englischen Arbeiterklasse, der einst von "Watchmen"-Zampano Alan Moore mitkonzipiert wurde, ist seit 1988 Protagonist der Horror-Comicserie "Hellblazer", die seit vergangenem Jahr als "Constantine" bei DC weiterläuft. Dass sich der kettenrauchende, bisexuelle Geisterjäger unzensiert ins Network-Fernsehen hinüberretten würde, stand nicht zu erwarten - und es kam natürlich auch nicht so. Verglichen mit dem schmerzhaft schwachen "Constantine"-Kinofilm mit Keanu Reeves (2005), der aus dem schmallippigen Liverpudlian John Constantine einen charmefreien Ami machte, konnte die Serie trotzdem nur gewinnen. Dachte man.
Immerhin wird Constantine hier vom geborenen Waliser Matt Ryan gespielt, den man aus dem kurzlebigen
Wenn man sich die Episoden dann anschaut, ist die Ernüchterung allerdings groß. Denn mehr als charmefrei angespukte Ermittler-Routine bietet sich darin nicht - und auch die Erschreckeffekte wirken abgegriffen wie in einer Provinzgeisterbahn. Hier ein wenig "Exorzist" mit genick-knickenden Besessenen, dort ein bisschen "Poltergeist" mit schlammigen Skelettpranken, die aus schwarzem Schlick emporschnellen. Das ist, zumindest in der von Marshall besorgten Pilotfolge, die auch mit zügigem Tempo punktet, an einigen Stellen durchaus effektiv inszeniert, wirkt aber schon in der teils richtig missratenen zweiten Folge repetitiv und altbacken.
Constantines infernalische Vergangenheit dient als Hintergrund. Beim missglückten Versuch, ein Kind aus den Fängen eines Dämons zu befreien, hat er das arme Mädchen dauerhaft in die Hölle verbannt. Seither ist er psychisch angeknackst, doch Einsamkeit, Schmerz und Verzweiflung motivieren ihn dazu, weiterhin auf Dämonenjagd zu gehen. Damit das jeder begreift, wird ihm in Folge zwei von der hellseherisch begabten Zed Martin (Angélica Celaya) auch genau dies diagnostiziert: "Einsamkeit, Schmerz und Verzweiflung. Das sind die Dinge, die dich motivieren." Das ist schlecht geschrieben, aber gut für den Schauspieler: Jetzt, da das so ausbuchstabiert wurde, muss er sich gar nicht mehr bemühen, diese Zustände im Spiel durchscheinen zu lassen.
Stattdessen jagt er lieber dem jeweiligen "Dämon der Woche" nach. In der Pilotfolge heißt der Unhold "Furcifer", was im Deutschen, nun ja, nicht ganz so bedrohlich klingt. Furcifer also wird im Eiltempo per Feuerkreis, Bannzeichen und Beschwörungsformeln aufs Kreuz gelegt, und Jeremy Davies (
Man darf schließlich auch Constantines verstaubten Zauberkeller in Atlanta kennenlernen und, vor allem, die aparte Liv Aberdine (Lucy Griffiths, "Robin Hood"), die nach Kräften zur Komplizin des Protagonisten aufgebaut wird, sogar mit einem Pendel dämonische Erscheinungen vorherzusagen lernt - dann aber in den Schlussminuten in einer albernen Wendung wieder aus der Serie hinausgeschrieben wird. Stattdessen sieht man in der Schlusseinstellung die aus den Comics bekannte Hellseherin Zed, die manisch Constantine-Zeichnungen kritzelt.
Natürlich sind Cast-Veränderungen nach Pilotfilmen nichts Ungewöhnliches. Hier jedoch hat das zur Konsequenz, dass die zweite Episode (jetzt mit Dämonenfeuer-Vorspann!) als eine weitere Pilotfolge funktionieren muss, als Episode, die das Wahrsagerei-Element von Liv übernimmt, nun aber Zed als Ermittlerkollegin einzuführen hat. Und das tut sie bemerkenswert ungelenk: Da sieht man Zed erneut beim Constantine-Bilder-Kritzeln, hört sie dabei explizit fragen: "Wer bist du nur?", und genau einen Schnitt später tritt sie auf die Straße und poltert in den ihr bislang Unbekannten hinein. Das ist leider symptomatisch für die generell unoriginelle Dramaturgie dieser Serie, die jeden neu gewonnenen Hinweis schon im direkt anschließenden Bild auflöst.
Zu kämpfen hat die zweite Folge (in der Manny und Chas keine Rolle spielen) zudem mit einem schwachen Dämonenfall: Ein Bergbaustädtchen in Pennsylvania wird von (eigentlich lieben) walisischen Minen-Geistern terrorisiert, die von einem der Bewohner "bösegemacht" werden. Die Horror-Momente geraten dabei mehrfach an den Rand der Parodie. An einer Stelle etwa murmelt Constantine (jetzt mit neuer Haarfarbe und andersfarbigem Schlips) in einer Kirche Beschwörungsformeln und gießt sich dann Weihwasser über den Kopf, um einen Dämon herbeizuphantasieren. Später erheben sich dann die welschen Gruselwesen dunkel grollend aus einem Kleinstadtvorgarten, ganz so, als kämen sie nicht aus dem Jenseits, sondern aus der Mittagspause demotivierter Komparsen. Gruselig ist das nicht, eher trashig - aber von einer Sorte Trash, von der nicht ganz klar wird, ob sie deckungsgleich ist mit jener, die die Macher im Sinn hatten. Falls sie so etwas im Sinn hatten.
Schade, aber "Constantine" präsentiert sich in den ersten Folgen als wenig tragfähiges Mystery-Procedural. Es bleibt natürlich abzuwarten, ob sich John und Zed auf Dauer vielleicht doch noch zu einem Ermittlerpaar entwickeln, das als trashige Variante von Mulder und Scully einen eigenen Charme entfalten kann; doch angesichts der bislang enttäuschend ungelenken Skripts und auch aufgrund der mäßigen Darstellerleistungen haben sich entsprechende Erwartungen merklich eingetrübt.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten zwei Episoden der Serie.
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Warner Bros. TV
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