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TV-Kritik/Review: Hand of God
(27.09.2015)
Ron Perlman steht nackt in einem Zierbrunnen und spricht in Zungen. Rechtet er mit den Himmeln, zürnt er Gott? Der Richter Perrell Harris, den Perlman hier spielt, war, wie später enthüllt wird, drei Tage verschwunden. Der knallharte, moralisch zwiespältige Gesetzesmann hat sich von einem smarten jungen Reverend aus der
Ron Perlman, das ist dieser Berg von einem Mann, der in Hollywood lange Jahrzehnte als Nebendarsteller gebucht war und mit den "Hellboy"-Filmen zu spätem Ruhm gelangte. Bis heute hat sich dennoch die Unsitte gehalten, den mittlerweile 65-Jährigen mit dem stattlichen Kiefer und dem raubeinigen Charisma (siehe auch
Dass diese Prämisse dann nicht ganz so sehenswert aufgeht wie erhofft, ist schade. Harris' neue, religiös erweckte Seite zum Beispiel vermittelt sich überhaupt nicht - weder über den Plot noch über das Spiel Perlmans, der gar nicht erst den Versuch unternimmt, irgendwelche frömmelnden Subtexte zu transportieren. Eigentlich ist der Bekehrte immer noch das gleiche machtversessene, gewissenlose, übergriffige Arschloch wie zuvor. Szenen, in denen er Kollegen, Autoritäten, Über- und Untergebene mit fiesen Onelinern abkanzeln darf, gibt es zur Freude aller Perlman-Fans reichlich. Auch das großkotzige Selbstporträt an der Bürowand bleibt hängen. Nur die Schäferstündchen mit seiner Geliebten, der Prostituierten Tessie (Emayatzy Corinealdi), die will er züchtig beenden. Ist der religiöse Twist also nur Behauptung? Immerhin darf ein Neurologe am Ende der Pilotepisode eine psychologische Lesart anbieten: Nach traumatischer Erfahrung sei es sehr einfach, die Wirklichkeit eines Menschen zu verändern, etwa durch religiöse Sinnangebote.
Das Trauma, um das es geht, passt gut ins zappendustere Geschehen, das
Währenddessen drängen weitere, zwielichtige Figuren ins Szenario: Da ist besagter Reverend, ein alerter Jungspund namens Paul Curtis (Julian Morris, "Cry Wolf"), der früher einmal ein Soap-Star war und jetzt wohl eher Trickdieb ist als ein frommer Pastor. Zusammen mit seiner in der Kunst der erotischen Überzeugungskraft trainierten Gehilfin Alicia (Elizabeth McLaughlin aus
Unterdessen hat man als Zuschauer längst erfahren, dass Harris nach dem Brunnen-Vorfall weitere Visionen hatte. Sind das religiöse oder post-traumatische Halluzinationen? Jedenfalls hört er seinen im Koma liegenden Sohn zu ihm sprechen. Womöglich ist es die Stimme Gottes. Harris muss der Stimme versprechen, dass er endlich den Vergewaltiger findet, der so viel Leid über die Familie brachte, und dieser übersinnliche Auftrag macht Harris zum Rächer: Er drangsaliert die Polizei und macht seinen Einfluss geltend. "Folge dem Fluss", so lautet der nächste Hinweis, der PJ zu entnehmen ist, und fortan sieht Harris auf dieser spirituellen Schnitzeljagd überall Flüsse: in eingebildetem Blut auf dem Krankenhausboden ebenso wie in einem Rinnsal verschütteten Kaffees auf einer festlichen Veranstaltung. Der Kaffee-Fluss identifiziert den Polizisten Shane als Täter, und in einer reichlich unschönen Szene zwingt Harris Jocelyn, den Verdächtigen anhand seines Penis' wiederzuerkennen. Jocelyn spuckt den Schwiegervater an, und Harris nimmt die Sache in die eigenen Hände: Er lässt Shane von KD erledigen und erhält am Ende den diffusen Hinweis auf mögliche Hintermänner. Keine bloße Vergewaltigung also, sondern wohl eine Verschwörung: Es sind die üblichen "they", die "others", die im Mystery-Genre seit jeher als abgründige Projektionsfläche dienen - von
Das alles ist jedenfalls viel Holz für eine Pilotepisode. Der Drang, derart viele Figuren, Motivationen und Plotansätze in eine Stunde zu quetschen, mag der Amazon-Praxis geschuldet sein, Pilotepisoden in den Wettkampf zu zwingen: Der Zuschauer sollte im Sommer 2014 selbst entscheiden, welche der angebotenen Pilotepisoden in Serie gehen sollte. "Hand of God" bekam den Zuschlag - vielleicht gerade wegen der sich gegen Ende zuspitzenden Mystery-Elemente der Serie.
Leider verstärken sich aber schon in der zweiten Episode die Vorbehalte, die man schon in der ersten Folge entwickeln konnte: Harris' religiöse Wandlung ist ein bloßes Gimmick. Eine Art Superheldenkraft, die ihn über das Medium PJ an (göttliche?) Hinweise gelangen lässt, die erahnen lassen, wer oder was nun warum hinter der Vergewaltigung Jocelyns und dem späteren Selbstmord PJs stecken könnte. Diesmal führt der imaginierte Werbespot eines Fischhändlers Harris zurück an einen Ort der Vergangenheit und schließlich auf die Fährte eines Graffiti-Künstlers, der mit Shanes Familie befreundet ist. Das eingangs noch reizvolle Spiel mit den Wirklichkeitsebenen, das auch den Zuschauer darüber im Unklaren lässt, ob er gerade einer Vision des Richters beiwohnt oder nicht, verbraucht sich leider schnell - obwohl es dem renommierten Deutsch-Schweizer Filmemacher Marc Forster ("World War Z"), der die ersten beiden Episoden inszenierte, gut gelingt, eine abgründige, ambivalente Atmosphäre herzustellen. Auch R&B-Sängerin Erykah Badu führt sich als Crystals Marihuana-Dealerin relaxt ins ausgedehnte Figurenarsenal ein.
Insgesamt jedoch fehlt es "Hand an God" in den ersten Folgen klar am Fokus: Der Plot franst aus und vergreift sich im Ton. Bobo Boston und KD zum Beispiel wirken wie Figuren aus verschiedenen Serien. Dass Jocelyn, die nach ihrer Vergewaltigung auch noch ihren Ehemann verloren hat, ausgerechnet in die Rolle einer Antagonistin des ethisch abdriftenden Schwiegervaters gerät, ist keine gute Entscheidung. Es drängt sich die Frage auf, ob "Hand of God" eine stimmigere Serie geworden wäre, wenn der Plot aus Jocelyns Sicht entwickelt worden wäre - mit Harris als gefährlich lauernder Nebenfigur. So jedoch bleibt erst einmal ein stark besetztes, unausgewogen in Gang gesetztes Dunkel-Drama, das sich in den ersten Folgen schwer damit tut, der spannenden Prämisse eine originelle Ausführung folgen zu lassen.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten zwei Episoden von "Hand of God".
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Amazon Studios
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