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TV-Kritik/Review: The Last Kingdom

Gelungener Blick in die Vorgeschichte Großbritanniens - von Gian-Philip Andreas
(02.11.2015)

Der junge Uhtred (Tom Taylor) mit Earl Ragnar (Peter Gantzler)
Der junge Uhtred (Tom Taylor) mit Earl Ragnar (Peter Gantzler)

Zur Hälfte der ersten Folge von  "The Last Kingdom" sitzt "Blade Runner"-Replikant Rutger Hauer als blinder, alter Weiser Ravn in einer dänischen Festhalle und spricht über den baumhohen Wikingerkönig, der es sich da inmitten des feierlichen Trubels gutgehen lässt: König Ubba. Der hat soeben ein weiteres englisches Königreich erobert. "Ubba", mahnt Ravn den kleinen Uthred, "Ubba hört nur auf die Götter." Dann fügt er an, während um sie herum Kriegsgefangene gefoltert und getötet werden: "Männer, die ihre Befehle von Gott erhalten, sind unberechenbar." Ein zentraler Satz ist das, nicht nur für die Serie selbst und die in ihr handelnden Figuren, sondern auch für unsere unruhigen Zeiten, in denen immer mehr Fundamentalisten und Gottesfürchtige meinen, die Wahrheit gepachtet zu haben. Und Ravns Satz ist auch ein Beispiel dafür, dass History-Serien nicht zwangsläufig zeitentrückte Eskapistenspektakel sein müssen, sondern, wenn sie gut geschrieben sind, Spannendes übers Hier und Jetzt zu sagen haben.

"The Last Kingdom", auf der Grundlage von Bernard Cornwell Romanreihe "The Saxon Stories" geschrieben und von den  "Downton Abbey"-Produzenten Nigel Marchant und Gareth Neame für die BBC entwickelt, ist ein solches gut geschriebenes History-Drama - eine Wohltat in Zeiten, in denen fast jeder Sender Hits wie  "Game of Thrones" nacheifert und dabei gerne danebenhaut. Wie gut "The Last Kingdom" tatsächlich ist, lässt sich im Vergleich mit Kurt Sutters FX-Enttäuschung  "The Bastard Executioner" perfekt ersehen: Beide Serien erzählen einen im mittelalterlichen Britannien angesiedelten Racheplot, beide stürzen ihre Hauptfigur in einen fundamentalen Identitätskonflikt, beide sind nicht zimperlich in der Darstellung von Gewalt. Trotzdem sind sie grundverschieden: Gut und Böse sind im "Last Kingdom" keine klischeehaften Zuschreibungen, anders als im "Executioner" braucht es keine umständlich erzählte Doppel-Pilotfolge, um das Publikum "in medias res" zu bringen, Tiefe stellt sich durch geschickte Weichenstellungen eines linear erzählten Plots her und nicht dadurch, dass - wie im "Executioner" - die Darsteller gravitätisch die Stirn in Falten legen und ungelenk zwischen Zeit- und Realitätsebenen hin- und hergeswitcht wird. Auch was die Gewalt betrifft, zeigt sich mal wieder, dass sparsame Dosierung den größeren Effekt bringt - was nicht heißt, dass hier keine Köpfe rollen. Wo der "Executioner" alles in hyperrealen, kreischenden Primärfarben pinselt, regiert im "Last Kingdom" eine erdigere Farbpalette: matschbraun, dunkelgrün, mausgrau, rostrot.

Inhaltlich geht die Cornwell-Verfilmung fast als Sequel der sehenswerten History-Channel-Hitserie  "Vikings" durch. Während jene vom Beginn des Wikingerzeitalters erzählt, sind wir hier schon ein Dreivierteljahrhundert weiter. Ende des 9. Jahrhunderts haben die Wikinger fast das komplette, in zahlreiche Königreiche zersplitterte England erobert. Das letzte noch autarke (Titel-)Königreich ist Wessex, regiert von König Aethelred (Alec Newman) und seinem Bruder Alfred (David Dawson,  "Ripper Street"), einem kränklichen Stinkstiefels - dem als "Alfred der Große" später bedeutende Siege gegen die Wikinger gelingen werden.

"The Last Kingdom" schafft sich vor diesem historischen Hintergrund einen auf Anhieb sympathischen Protagonisten: Uthred von Bebbanburg, Sohn des angelsächsischen Königs von Northumbrien. Nur zwei Sequenzen aus unterschiedlichen Lebensaltern benötigt der Pilotfilm, um Uthred als würdige Hauptfigur zu etablieren. Als eine Wikingerarmee unter Earl Ragnar (Peter Gantzler aus Lars von Triers "The Boss Of It All") den König von Northumbria ( "Spooks"-Star Matthew Macfadyen) und seine Truppen vernichtend schlägt, wird der 10-jährige Uthred von Earl Ragnar entführt. Als er gegen Geld "zurückgegeben" werden soll, wird der Deal vom Priester Beocca (Ian Hart, der Quirinus Quirrell aus "Harry Potter") bewusst torpediert: Beocca hat erfahren, dass Uhtred als rechtmäßiger Thronerbe von seinem intriganten Onkel Aelfric (Joseph Millson) getötet werden würde. Also bleibt Uthred zusammen mit der ebenfalls gekidnappten, gleichaltrigen Brida als Sklave in der Obhut des Wikingerchefs, in dessen Gunst er zudem bald aufsteigt: Er kann dessen Tochter Thyra gerade noch davor bewahren, vergewaltigt zu werden. Übeltäter Sven ist der Sohn von Kjarten, einem Kampfgefährten Earl Ragnars. Daraufhin verbannt Ragnar Kjarten, sticht Sven ein Auge aus - und erzieht Uthred fortan wie seinen eigenen Sohn. Nach einem kühnen Zeitsprung ist Uthred Mitte zwanzig und wird nun vom smarten Alexander Dreymon gespielt, bekannt als Luke Ramsey aus  "American Horror Story - Coven". Brida (wunderbar: die Österreicherin Emily Cox) ist jetzt seine beste Freundin und Geliebte. Dann tauchen Kjarten und Sven wieder auf, um, scheint's, blutige Rache zu nehmen: Earl Ragnar und seine Frau werden ermordet, Sven entführt Thyra, Uthred und Brida können fliehen. Und Uthred weiß auch, wer eigentlich hinter der Attacke steht: Aelfric.

Alexander Dreymon spielt den erwachsenen Uthred
Alexander Dreymon spielt den erwachsenen Uthred

In der Pilotfolge zeigen sich Autor Stephen Butchard und Regisseur Nick Murphy als Meister der Sympathielenkung: Erscheinen die Wikinger zu Beginn noch als Invasoren, die im angelsächsischen Umfeld des kleinen Uthred, seines Vaters und des freundlich-schusseligen Priesters ein blutiges Massaker anrichten, dreht sich der Wind, als sich der Dänenstamm für Uthred als neue, deutlich liebevollere Familie erweist - in deren Schoß er vor den mordlüsternen Nachstellungen Aelfrics sicher zu sein scheint. Doch mit dem weisen Ravn einerseits und dem brutalen Umgang mit Gefangenen andererseits präsentiert sich auch dieses Umfeld als ambivalent. Als Erwachsener ist Uthred schließlich von beiden Kulturen gleichermaßen geprägt - was eine ideale Ausgangsbasis ist, um von Loyalitäts- und Identitätskonflikten zu erzählen.

In dieser Hinsicht macht gleich die zweite, fast noch temporeicher erzählte Folge Lust auf mehr. Dreymon und Cox erweisen sich als ungemein sympathisches, spielerisch prächtig aufgelegtes Duo, das von erfrischend unorthodoxen Dialogen ebenso profitiert wie von der ungewöhnlichen Figurenkonstellation: Wann schon dürfen Protagonist und Protagonistin einer Abenteuergeschichte schon gemeinsam Actionsequenzen absolvieren und nach getaner Schwertkampfschnetzelei am Lagerfeuer koitieren? Auch der Rest der Episode hat es in sich: König Edmund von East Anglia etwa (Jason Flemyng,  "The Missing") fällt in einer bemerkenswerten Szene seiner Gottesfurcht zum Opfer, Uthred gilt inzwischen selbst als Tatverdächtiger des Ragnar-Massakers und muss sich vor Ubba hüten, dem Fundamentalisten, vor dem Ravn ihn schon als Kind warnte. In Wessex angelangt, dient Uthred sich bei Hofe als Spion an, der Details über eine kommende Wikingerattacke beschaffen kann. Doch Alfreds Skepsis ist so groß, dass sich Uthred und Brida am Ende der Folge in Gefangenschaft wiederfinden.

Ja, es gibt auch Plattheiten in "The Last Kingdom". So werden Aelfric und Sven ein wenig zu eindimensional als Schurken hingestellt, und der künftige King Alfred träumt so pathetisch vom geeinten England, dass man der BBC fast patriotische Wallungen unterstellen muss. Ansonsten aber überwiegt deutlich das Erfreuliche: Vom Vorspann, der mit monochromen, buchstäblich in Flammen aufgehenden Tuschezeichnungen glänzt, über den Score von John Lunn, der den üblichen Eso-Ethno-Albion-Folk geschickt mit modernen elektronischen Elementen bricht, von den sparsam eingesetzten Kampfszenen (den zeittypischen "shield walls") über das starke, britisch-skandinavische Ensemble bis zur Ausstattung, die nie nur dekorativer Selbstzweck ist, und den schicken, fast nie kitschigen Landschaftspanoramen haben die Verantwortlichen hier viel richtig gemacht - so viel sogar, dass selbst grellere Effekte nicht allzu unpassend wirken: Earl Ragnars letzter Auftritt als flammende Wutwaffe schafft es, nicht etwa albern daherzukommen, sondern als ein großer Moment in Erinnerung zu bleiben.

Es bleibt nun abzuwarten, ob "The Last Kingdom" dem "Vikings"-Erfolg nacheifern kann. Um der sprühenden Fabulierlust Herr zu werden, die schon die ersten Folgen beweisen, scheint die auf acht Folgen begrenzte erste Staffel aber beinahe zu kurz zu sein.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Folgen von "The Last Kingdom".

Meine Wertung: 4/5


Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: Joss Barratt/Carnival Films


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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