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TV-Kritik/Review: Transparent

Neue Amazon-Dramedy um einen transsexuellen Familienvater - von Marcus Kirzynowski
(24.11.2014)

Tochter Sarah (Amy Landecker) traut ihren Augen nicht: der Vater (Jeffrey Tambor) kleidet sich plötzlich als Frau
Tochter Sarah (Amy Landecker) traut ihren Augen nicht: der Vater (Jeffrey Tambor) kleidet sich plötzlich als Frau


Mort Pfefferman, pensionierter Uniprofessor und geschiedener Familienvater, hat seine drei erwachsenen Kinder zum Abendessen eingeladen, weil er ihnen etwas Wichtiges mitteilen will. Aber wie das oft so ist bei einem Familientreffen, erzählen die Kinder die ganze Zeit nur von ihren eigenen kleinen und größeren Sorgen und lassen den Vater kaum zu Wort kommen. Dem fällt es aber ohnehin nicht leicht, mit der Sprache herauszurücken, denn die Enthüllung, die er angekündigt hat, ist alles andere als alltäglich: Er will sich nach all den Jahren der Verleugnung und des Versteckens endlich als Frau im Körper eines Mannes outen. Doch die passende Gelegenheit, auf das heikle Thema zu kommen, bietet sich im Verlauf des Dinners nicht. So kommt es dann später zu einem ungeplanten Outing, als Mort alias Maura in seinem Haus Frauenkleider anlegt und dabei von seiner ältesten Tochter Sarah (Amy Landecker) und deren Freundin Tammy (Melora Hardin) überrascht wird.

 "Transparent" heißt die dritte eigenproduzierte Serie der Amazon Studios, die der Internetriese nach einem zuvor auf seinen internationalen Streamingseiten veröffentlichten Piloten auch tatsächlich für eine volle Staffel ins Rennen um die Abonnentengunst schickte. Es handelt sich um eine halbstündige Dramedy mit einem Thema, wie es typisch ist für die Art moderner Qualitätsserien, die so bisher nur auf US-Kabelsendern wie HBO oder AMC möglich waren - bis die großen Video-on-Demand-Anbieter wie Netflix und eben Amazon als neue Player ins Geschäft einstiegen. Kein Mainstreamsender wie die großen US-Networks würde wohl eine Serie bestellen, die sich in ernsthafter Weise mit seiner transsexuellen Hauptfigur auseinandersetzt. Jeffrey Tambor war insofern prädestiniert für diese Rolle, als er schon im Klassiker  "Polizeirevier Hill Street" aus den 1980er Jahren einen transsexuellen Polizisten verkörpert hat. Serienschöpferin Jill Solloway gehörte zum Autorenteam von HBOs tiefgründiger Familienserie  "Six Feet Under" und übernahm später den Showrunner-Posten bei der leider kommerziell gescheiterten Showtime-Dramedy  "Taras Welten". Dort stand mit einer multiplen Persönlichkeit ebenfalls eine ungewöhnliche (Frauen-)Figur im Mittelpunkt, die in der Realität viele wohl einfach nur als "krank" titulieren würden. Teil der Geschichte war aber schon dort, dass die Betroffene lernt, ihr eigenes Anderssein als Teil ihrer Persönlichkeit zu akzeptieren.

Insofern bleibt Solloway in ihrer ersten selbst entwickelten Serie also ihrem Thema treu. Was "Transparent" von den Vorläufern unterscheidet, ist aber leider, dass fast alle Protagonisten furchtbar unsympathisch wirken - mit Ausnahme von Mort/Maura selbst. Keine Frage: Jeffrey Tambor ist in dieser Rolle ein absoluter Scene Stealer, ein Schauspieler, der es versteht, ohne große Mätzchen die innere Zerrissenheit dieses Menschen rüberzubringen, der sich nichts mehr wünscht, als von seinem Umfeld einfach als das akzeptiert zu werden, was er seinem Empfinden nach ist und schon immer war: eben eine Frau. Nach Jahrzehnten hat er das Versteckspiel satt, will endlich nicht mehr nur heimlich im stillen Kämmerlein, sondern ganz selbstverständlich auch am Familientisch, beim Einkaufen oder Autofahren in Kleid und Make-Up auftreten. Gleichzeitig will er natürlich seine erwachsenen Kinder nicht vor den Kopf stoßen, ihnen keine zusätzlichen Probleme bereiten - und ihnen deshalb seine Entscheidung so sanft wie möglich vermitteln. Zwar könnte man fragen, warum Solloway für diese Rolle nicht eine echte Transsexuelle besetzt hat, wie es in neueren Hollywood-Serien durchaus langsam üblich wird (nachdem die großartige Laverne Cox als Sophia in Netflix‘ Frauenknast-Serie  "Orange is the New Black" den Weg dafür bereitet hat). Aber Tambor kann man sicher keinen Vorwurf machen, verkörpert er diese schwierige Rolle doch perfekt.

Mort/Maura erforscht ihre neue Identität in der Selbsthilfegruppe
Mort/Maura erforscht ihre neue Identität in der Selbsthilfegruppe

Das Hauptproblem sind die anderen Figuren, namentlich die drei Sprößlinge der Familie Pfefferman: Bei denen häufen sich nämlich Klischees und Wohlstandsprobleme derart stark, dass die Storybögen oft in Richtung unfreiwillige Parodie abzugleiten drohen. Da ist zunächst einmal die älteste Tochter Sarah, verheiratet und Mutter zweier Kinder, die nun im Alter von 40+ urplötzlich merkt, dass sie eigentlich eher auf Frauen steht und eine heimliche Affäre mit ihrer besten Freundin Tammy beginnt. Was bei Mort absolut glaubwürdig wirkt (eben, weil von Anfang an klar wird, dass er sich schon sein ganzes Leben als Frau fühlt), ist bei Sarah einfach nur behauptet und kommt vom Lebensalter mindestens zwanzig Jahre zu spät. Ihr Bruder Josh (Jay Duplass) ist ein erfolgreicher Musikproduzent, der ständig mindestens zwei heiße willige Frauen gleichzeitig in Loft und Bett hat (eine davon ist sein Ex-Babysitter) und dessen Hauptproblem ansonsten zu sein scheint, wie er seinen exzessiven Kokainkonsum aufrecht erhalten kann.

Und dann ist da noch die jüngste Schwester Ali (Gaby Hoffmann,  "Girls"), die ebenso arbeits- wie antriebslos durch ihr Leben treibt und dabei nur eines im Kopf zu haben scheint: Sex mit gleichermaßen sportlichen und beschränkten Männern. Während man diese Figuren nun bei ihrer Alltagsgestaltung zwischen Gymnastik im Park und Orgien zu Hause folgt, stellt sich für den Zuschauer mit Durchschnittsleben und -einkommen vor allem eine Frage: Who cares? Warum sollte sich irgendwer, der nicht selbst zur Schicki-Micki-Szene von Los Angeles gehört, für die Erste-Welt-Probleme dieser verzogenen, egozentrischen Oberschichtszombies interessieren, die vermutlich schon zum Therapeuten rennen, wenn ihnen ein Fußnagel abgebrochen ist?

Das zweite Problem: "Transparent" läuft zwar offiziell unter Comedy, es gibt aber an keiner Stelle auch nur eine einzige Gelegenheit zum Lachen oder auch nur Schmunzeln. Insofern würde die Serie sich perfekt ins "Comedy"-Line-Up von HBO einfügen, wobei es etwa bei dessen "Girls" ja wenigstens einige Male pro Folge Anlass zur Belustigung gibt und auch die dramatischen Elemente dort funktionieren. "Transparent" ist hingegen nicht nur komplett unlustig, sondern auch weitgehend undramatisch. Was hier mit großer Independent-Film-Ambition gezeigt wird (nicht umsonst war Solloway mit ihren Kinofilmen auch zweimalige Teilnehmerin des berühmten Sundance-Festivals), ist in Wahrheit einfach nur belanglos: sorgfältig inszenierte Langeweile, die sich eben nur wahnsinnig sophisticated vorkommt. Da hilft auch das eigentlich hoch interessante (und wichtige) Thema Transsexualität als Aufhänger nicht. Der einzige Vorteil des halbstündigen Formats: Die Folgen sind wenigstens so kurz, dass man keine Gelegenheit zum Einschlafen hat.


Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten zwei Folgen der Serie.

Meine Wertung: 2.5/5


Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Amazon Studios


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

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