Call Me Babylon

Wer sind die geduldigen und freundlichen Stimmen an den Tausenden Hotlines, jenen telefonischen Service-Zentralen, genannt Call Centers, mit denen heute alle großen Firmen ihre Kunden betreuen, und die 24 Stunden am Tag deren Fragen beantworten? Es sind junge Menschen wie Johanna, Albert, Vincenzo: Moderne Vagabunden, Anfänger, Quereinsteiger. Der Film erzählt von der Welt am anderen Ende der Telefonleitung und über das Leben und die Arbeit junger europäischer Call-Center-Operators. Johanna aus Deutschland kam mit ihrem holländischen Freund nach Amsterdam. Sie haben sich in Australien kennen gelernt und wissen noch nicht, ob sie hier bleiben werden. Vincenzo ist aus Lebenshunger nach Amsterdam gekommen. Und der Liebe wegen. Er wird weiterziehen, auf der Suche nach einem kreativeren Job. Albert aus England wird in seinem Team "das Genie" genannt. Er hat genaue Pläne für sein Leben und will hier Karriere machen. Die Liebe ist für ihn eine Art Grauzone: schlecht zu definieren und schon gar nicht zu planen. Die Arbeit im Call Center, bei der so immaterielle Produkte wie Information, Kundenbindung und Vertrauen produziert werden, ist schon lange ein wichtiger Arbeitsmarkt. Bereits 1,5 Prozent sämtlicher Arbeitsplätze in Europa befinden sich in den 16 000 Call- und Customer-Care-Center. Die meisten der im Durchschnitt 23-jährigen Beschäftigten bleiben dort nur gut ein Jahr, um dann weiterzuziehen - in ein anderes Land, einen anderen Beruf, ein anderes Leben. Neben Irland ist Holland eines der Zentren für Call Center, die den gesamten europäischen Raum bedienen. Denn hier gibt es liberale Arbeitsgesetze, günstige Steuern, und es gibt nicht nur in den Großstädten eine hohe Sprachkompetenz in der Bevölkerung. Das Leben und die Arbeit der Operator in einem paneuropäischen Call Center reflektiert auf sehr spezielle und subtile Weise das, was wir unter den Stichworten Globalisierung, postmoderne Produktionsweisen, Flexibilität und neue Arbeitsbedingungen verstehen. Denn ihre Lebensweise korrespondiert sehr gut mit den Bedürfnissen der Call Center, von denen sie grundsätzlich nur zeitlich befristete Arbeitsverträge für ihren aufreibenden Job bekommen. Hier gilt das Primat der Flexibilität: Der Personalstand der Call Center wird stets umgehend den Veränderungen in der Marktlage angepasst. Und in der Regel ist nur ein neuer Operator noch ausreichend liebenswürdig, motiviert, geduldig. So ist der ständige Wechsel die einzige Konstante im Leben der jungen Call Center Agenten. Keine Arbeit ist auf Dauer mehr sicher. "Call me Babylon" ist eine Recherche am Horizont der Welt, die vor unserer Tür steht.