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TV-Kritik/Review: "Disko 76": Als der Glitzer ins Ruhrgebiet kam
(28.03.2024)
1976 - verglichen mit heute eine gänzlich andere Welt, und doch, wie Hauptcharakter Doro aus dem Off anmerkt, "noch gar nicht so lange her". Ein gänzlich anderes Ruhrgebiet, in dem Leute den Begriff "Disko" noch nie gehört hatten, und in dem man unter "Tanzen gehen" die Ausführung von Foxtrott und Cha-Cha-Cha verstand. Wie so viele Gesellschaftsphänomene ging es beim Phänomen Disko aber um mehr als nur seichten Partyspaß. Der Bruch mit der Generation der Eltern, der Ausbruch aus dem gesellschaftlichen Korsett, das Entdecken und Ausleben der eigenen Bedürfnisse - diese Thematik arbeitet
Wäre dem Verfasser dieses Textes noch vor wenigen Monaten die Rezension einer in den 70er Jahren spielenden Serie vorgeschlagen worden - er hätte dankend abgelehnt. Zu miefig, zu piefig, die Haare bei allen irgendwie immer zu lang und üppig, und Teppich überall - verbunden damit die Gewissheit, dass der Autor selbst diesem Jahrzehnt entstammte, aber doch keinen Bezug dazu hatte. Geändert wurde dies schlagartig durch die wohl schönste Serie überhaupt,
Abgesehen von einer sehr kurzen Tanz-Eingangssequenz beginnt "Disko 76" streng chronologisch mit der Erzählung über die junge Kindergärtnerin Doro (Luise Aschenbrenner), die ein geregeltes Leben mit Eltern, Geschwistern und Ehemann führt, so wie das eben gern gesehen wird zur damaligen Zeit in Westdeutschland. Die Ausübung eines Berufs ist für Frauen nur erlaubt, wenn es "mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar" ist. Eines Tages entscheidet Doros Ehemann Matthias (wandlungsfähig: Moritz Jahn aus
Aus heutiger Sicht geradezu absurd, dass der Mann mit dem Arbeitgeber bespricht, dass die Frau dort nicht mehr arbeitet, und dass er das noch nicht einmal in irgendeiner Form mit ihr abklärt, ob sie denn bereit ist, ihren Beruf an den Nagel zu hängen. "Noch gar nicht so lange her" ist insofern nicht nur zutreffend, sondern auch bitter. Es wird anschaulich beleuchtet, in welch passive Rolle sich Frauen zu fügen hatten. Von Augenhöhe mit den Männern keine Spur.
Der nächste Tiefschlag folgt direkt zu Hause: Nachdem Matthias Doro erklärt hat, warum er in ihrem Namen ihr Arbeitsverhältnis beendet hat, möchte er gerne mit dem neuen Aufgabenbereich weitermachen, den er für Doro vorgesehen hat: Familiengründung. Dass Doro gerade keine Lust auf Geschlechtsverkehr hat, spielt gar keine Rolle. Auch das spiegelt die Situation der damaligen Zeit wider: Gängige Rechtsprechung wies dem Ehemann ein Anrecht auf Sex mit seiner Frau zu, insofern musste diese nicht erst gefragt werden, ob sie denn einverstanden sei.
So passiv, wie es von ihr erwartet wird, ist Doro aber nicht. Da sie sich eigentlich etwas anderes von ihrem Leben vorstellt, als ausschließlich für ihren Mann, ihre Kinder und den Abwasch da zu sein, aber aufgrund der Strukturen, in denen sie feststeckt, keine andere Ausflucht sieht, behauptet sie kurzerhand, sie wäre bereits schwanger. Der ungeliebte Geschlechtsakt mit Matthias ist also erstmal aufgeschoben. Nur hat eine Schwangerschaftslüge naturgegeben ein nahes Verfallsdatum - und Doro muss nun einen Ausweg finden, zumal der überglückliche Matthias direkt Doros ganzer Familie vom angeblichen Nachwuchs erzählt.
Doro hat zwar zunächst keine Lösung für ihr Dilemma parat, findet aber zumindest die perfekte Zerstreuung, als sie von ihrer Schwester auf eine Party von US-Soldaten mitgenommen wird, auf der zu Disko-Musik getanzt wird. Schnell erwacht in Doro die Idee, selbst eine Disko zu eröffnen - die erste im gesamtem Ruhrgebiet! Die neue, glitzernde Welt, in der man mit Fremden tanzt und trinkt und die bürgerliche Spießigkeit zumindest für eine Weile hinter sich lässt - Doro scheint einen Weg entdeckt zu haben, sich einerseits zu verwirklichen, andererseits aber auch ihrer erdrückenden Lebensrealität zu entfliehen. Wenngleich auch immer nur vorübergehend. Zu Hause wartet Matthias im Ehebett.
Unstreitiges Hauptmotiv von "Disko 76" ist die Rolle der Frau im Westdeutschland der 70er Jahre - sowie auch deren Wandel. Namentlich Doros Vater (Aljoscha Stadelmann) verkörpert die Generation, nach deren Willen alles so bleiben soll, wie es ist. Wiederholt tadelt er seinen Schwiegersohn Matthias, dass der Ehefrau Doro nicht richtig im Griff zu haben scheint. Doch auch Doros Schwester Johanna (Vanessa Loibl) stellt sich ihre Zukunft anders vor als ihre Eltern. Sie möchte gerne Linienpilotin werden - die erste Frau Deutschlands in diesem Beruf wohlgemerkt! Noch gar nicht so lange her. Selbstredend werden ihr hierbei Steine in den Weg gelegt, auch von anderen Frauen.
Ein erweitertes Motiv der Serie ist der Bruch mit den Vorstellungen der Eltern im weiteren Sinne. Doros jüngerer Bruder Georg (Jonas Holdenrieder,
Zwischenzeitlich wähnt man sich in "Disko 76" in der Nullerjahre-Telenovela
"Disko 76" leistet sich in den ersten Folgen keine gröberen Schnitzer, die Charaktere sind durchweg passend besetzt, und die Geschichte ist kurzweilig genug erzählt, sodass man gerne dran bleiben möchte. Wichtige und zeitlose Themen wie das Finden eines eigenen Lebenswegs werden nicht zu oberflächlich, aber auch nicht zu schwer als Serie aufbereitet. Und wer nur mal eingeschaltet hat, um ein paar Tanzeinlagen von Jannik Schümann zu sehen, wird auch auf seine Kosten kommen.
Dieser Text beruht auf der Sichtung von zwei Episoden der sechsteiligen Staffel von "Disko 76".
Die Serie "Disko 76" wurde zum heutigen 28. März mit sechs Folgen bei RTL+ veröffentlicht. Die lineare Ausstrahlung erfolgt am 1. April bei Nitro. in einer Marathonausstrahlung mit ebenfalls allen sechs Folgen ab 20.15 Uhr.
Über den Autor
Leserkommentare
User 375955 schrieb am 02.04.2024, 20.27 Uhr:
Wie ich es hasse, wenn da erst ganz am Ende was von RTL +steht 🙄Touch-Down schrieb via tvforen.de am 29.03.2024, 01.52 Uhr:
TV Wunschliste schrieb:1976 - verglichen mit heute eine gänzlich andere
Welt
Leider ;(Frog and Starfish schrieb via tvforen.de am 30.03.2024, 14.04 Uhr:
Dafür kann man heute auch das sehen, das man versäumt hat oder gerne mal wieder gucken möchte. Noch in meiner Kindheit undenkbar. Was man verpasst hatte, war verpasst - außer man hatte vorher daran gedacht, es auf VHS aufzuzeichnen. An Plattformen wie YouTube oder Ähnliches war um 1999, 2000, als ich erstmals das Internet genutzt habe, gar nicht zu denken.Talisman05 schrieb via tvforen.de am 28.03.2024, 21.40 Uhr:
Hab mir heute die erste Folge angeschaut und nun ja, mir gefällt es leider nicht. Die Idee ist gut und die Story könnte interessant sein... Wenn man nicht von allem ein bisschen zu viel eingebaut hätte. Insbesondere die Special Effects, wie zum Beispiel wenn für einen Moment die Umgebung eingefroren wird und nur die Protagonisten sich noch bewegen, finde ich oftmals unpassend. Irgendwie kommt auch nicht so richtig 70er Jahre-Stimmung auf, weil die Darstellerinnen und Darsteller optisch nur ansatzweise die 70er Jahre verkörpern. Einzig die Autos und die Musik (natürlich durfte gleich in der ersten Folge "Fiesta Mexicana" nicht fehlen) lassen vermuten, dass man sich in den 70er Jahren befindet. Und die schauspielerische Leistung einiger Akteure ist unterste Kanone. Storyline war eigentlich ganz passabel, aber auch da passierte einfach zu viel auf einmal. Aber vielleicht war das ja in den 70ern auch einfach so, dass immer gleich so vieles auf einmal passiert. Ich war ja leider nicht dabei :-D
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