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TV-Kritik/Review: "House of the Dragon" Staffel 2: Die Rückkehr der Massenvernichtungsdrachen
(16.06.2024)
Zeit für Abbitte: Als die erste Staffel von
Inhaltlich setzen die neuen Folgen nur wenige Tage nach der letzten Episode der ersten Staffel an, weshalb es sich empfiehlt, sich mit den entscheidenden Ereignissen von damals noch einmal vertraut zu machen - die ja, vereinfacht gesagt, auf das Gegeneinander-in-Stellung-Bringen zweier Fraktionen hinauslief, die um die rechtmäßige Nachfolge auf dem Eisernen Thron von Westeros buhlten: Rhaenyra Targaryen (Emma D'Arcy), derzeit im Exil auf der Insel Dragonstone, versus Alicent Hightower (Olivia Cooke), frisch verwitwete Frau des verstorbenen Königs Viserys, die aufgrund eines Missverständnisses am Sterbebett ihren untauglichen Sohn auf den Thron gehievt hatte.
Das brillant gespielte Duell der früheren Kindheits- und Jugendfreundinnen und jetzigen Rivalinnen Rhaenyra und Alicent war es auch, dass aus einer bloß ordentlichen GoT-Nachfolgeserie eine dann doch sehr bemerkenswerte gemacht hatte: D'Arcy und Cooke brachten den Bildschirm förmlich zum Glühen und unterstrichen noch einmal das Dilemma jeder Serienkritik, die sich nur auf die anfänglichen Teile einer Staffel berufen kann (oder darf). Klar, jede Serienfolge muss für sich stehen können und ist in sich bewertbar, ein ganzes Staffelurteil muss und soll aber, auch hier bei uns, immer nur als ein vorläufiges verstanden werden (sofern es sich nicht explizit auf die Ansicht der gesamten Staffel beruft).
So hatten nicht nur ich, sondern viele Rezensenten, Fans und erst recht GoT-unerfahrene Zuschauer beispielsweise große Probleme mit den diversen Zeitsprüngen in der ersten Hälfte der (zehnteiligen) ersten Staffel. Wir erinnern uns: Sie spielt knapp zwei Jahrhunderte vor den Ereignissen von GoT und kann sich obendrein nicht auf George R. R. Martins von Schauplatz zu Schauplatz und Spannungsbogen zu Spannungsbogen eilende Romanreihe "Das Lied von Eis und Feuer" stützen. Grundlage von "House of the Dragon" ist "Feuer und Blut", ein Nebenwerk des US-amerikanischen Fantasy-Autors, eine fiktive Enzyklopädie von "Aufstieg und Fall des Hauses Targaryen". Den historischen Abriss in süffige Erzählform zu bringen, damit hatte Hauptautor Ryan Condal (der mit Martin gemeinsam als "creator" geführt wird) eingangs etwas Mühe.
Das Worldbuilding war erschwert, weil mit den Targaryens und den mit ihnen verbandelten Velaryons lauter silberblondhaarige Protagonisten im Mittelpunkt standen, von denen sich viele auch noch namentlich ähnelten: Rhaenys, Rhaenyra, Rhaena, Rhea? Jaehaerys, Jacaerys, Lucerys? Da konnte man in Unkenntnis der Buchvorlage oder ohne "Hausaufgaben" schon ins Schleudern geraten, zumal einige der Jungdarsteller infolge der Zeitsprünge (erst sechs Monate, dann drei Jahre, dann zehn Jahre, dann sechs Jahre) gleich zweimal ausgetauscht wurden. Mit dem zentralen Wechsel von Milly Alcock zu Emma D'Arcy (als Rhaenyra) sowie Emily Carey zu Olivia Cooke (als Alicent) aber war die Staffel dann auf einem Plateau angekommen, auf dem es sich von nun an "gut arbeiten" ließ: Das Thronspiel konnte beginnen, mit all seiner shakespeareschen Fallhöhe, mit Inzest, Niedertracht und viel mehr Drachen, als noch in GoT vorkamen. Die Targaryens, das sind nun mal "die mit den Drachen" - weshalb die CGI-Abteilung auch in der neuen Staffel alle Hände voll zu tun hat, diese feuerspeienden Massenvernichtungswesen in Aktion zu bringen. Vielleicht mehr denn je werden sie hier in die wieder einmal so bildgewaltig wie stimmungsvoll in Szene gesetzten Landschaften (vor allem Großbritanniens und Spaniens) hineingerendert. (Auch wenn man zugestehen muss, dass die Drachen wesentlich beeindruckender aussehen als die auf ihnen reitenden Darsteller, die, mit viel Windmaschine in der Perücke, immer noch ziemlich hineinkopiert wirken.)Für die zweite Staffel ist der Serie Showrunner Miguel Sapochnik verlustig gegangen. Der Regisseur, der einige der besten GoT-Episoden inszenierte ("Battle of the Bastards" und "The Winds of Winter" zum Beispiel), hatte möglicherweise genug davon, für seine notorisch dunkel ausgeleuchteten Setpieces bepöbelt zu werden (in der Regel von Zuschauern, die die Serie offenbar in grell-hellen Räumen auf dem Tablet schauen), möglicherweise hatte er sich aber auch einfach vom ganzen Franchise entfremdet. Auf jeden Fall erledigt Ryan Condal den Job nun alleine. Als Regisseur zweier der neuen Folgen konnte er mit Alan Taylor allerdings eine echte Qualitätsserienlegende verpflichten. Der
Was genau an Entscheidendem geschieht in der neuen Staffel, das dürfen, sollen und wollen wir hier natürlich nicht spoilern. Bestätigen können wir, dass sich die aus der ersten Staffel bekannte Bedächtigkeit auch hier wieder in den ersten Episoden zeigt: Trotz einiger Schockmomente und Gewaltexzesse (einer davon, gleich im Auftakt, ist besonders bedrückend), stehen die aus GoT bekannten und eben auch beliebten Dialogstücke von meist nur zwei, manchmal auch mehrerer Figuren in dunklen Burggemäuern im Mittelpunkt, wobei die jugendlichen Figuren, also die Kinder von Rhaenyra, Daemon und Alicent, eine größere Rolle einnehmen als zuletzt.
Nach Viserys' Tod sitzt in King's Landing jetzt der spätpubertäre Marionettenkönig Aemon II. auf dem Thron, den Tom Glynn-Carney herrlich schmierig, bisweilen aber auch ungeahnt anrührend als hilflos fehlbesetzte Nullnummer verkörpert, praktisch wie King Joffrey aus GoT ohne dessen Sadismus, dafür mit Drachen. Sein deutlich bedrohlicher wirkender, einäugiger Bruder Aemon (Ewan Mitchell) lugt schon machtgeil und psychopathisch um die Ecke, während die exilierte Rhaenyra auf Rache an diesem aus ist, da er im Finale der ersten Staffel ihren Sohn Luke samt Drachen in den Tod stürzen ließ.
Daemon Targaryen (Matt Smith wieder schön undurchsichtig zwischen Loyalität und reptilienartiger Schurkigkeit) unterstützt den Rachedurst seiner von Emma D'Arcy in ihrer Trauer und Wut beeindruckend intensiv verkörperten Frau und Cousine, betätigt sich aber alsbald wieder als Katastrophen-Katalysator par excellence. Spionin Mysaria (Sonoya Mizuno) taucht in ungewohnter Rolle auf, der von Rhaenyra abservierte Ser Criston Cole (Fabien Frankel) kultiviert seinen Frust in zunehmend ungute Richtungen, während die diversen Drahtzieherfiguren ihr böses Spiel weiterspinnen: der hinkefüßige Palastintrigant Larys Strong (Matthew Needham) und natürlich Ser Otto Hightower, die "Hand des Königs": Rhys Ifans hat in dieser Rolle in Episode zwei eine Szene zum Niederknien. Dass sich in Martins Fantasy-Welt kein Protagonist jemals sicher sein kann, auch in der nächsten Folge noch dabei zu sein, versteht sich dabei von selbst: Ryan Condal hält sich, selbstverständlich, an diese Regel.
Was wir, weil HBO es schon im Vorfeld bekannt gegeben hat, verraten dürfen, sind die neuen Figuren, die in der zweiten Staffel hinzustoßen: Sie reichen vom Seefahrer-Brüderpaar Alyn (Abubakar Salim,
Spannender sind da auf jeden Fall die Figuren, denen Daemon auf der schon aus GoT bekannten Burg Harrenhal begegnet: Kastellan Simon, schön verknarzt gespielt von der britischen Bühnenlegende Simon Russell Beale (
Wie der ganze Plot auf den sogenannten "Tanz der Drachen" zutaumelt, diesen fatalen Bürgerkrieg, der die lange Thronherrschaft der Targaryens bekanntermaßen beenden wird, das wird schon in den ersten Episoden der neuen Staffel geradezu flirrend spürbar. Sicher, ganz frei von Rhythmusproblemen sind auch diese neuen Folgen nicht, aber dafür sind sie randvoll mit schauspielerischen Glanzstücken, beeindruckenden Landschaftspanoramen und einigen Momenten, über die man, nun ja: gewiss noch reden wird, wenn sie dann gelaufen sind. Der Sog, den ich zu Beginn der ersten Staffel noch vermisste, hat sich jedenfalls längst eingestellt.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten vier Episoden der zweiten Staffel von "House of the Dragon".
Die zweite Staffel von "House of the Dragon" wird ab dem 17. Juni immer montagmorgens on Demand von Sky veröffentlicht, über WOW und Sky GO.
Über den Autor
Leserkommentare
zynicus schrieb am 03.08.2024, 19.23 Uhr:
Was ist ein "Worldbuilding"?
Oder sollte es Word Building heißen? Wieder ein neues (unnötiges) Wort, nach Wörding, Framing, Cast, Score.Welt Bildung/bilden? Wörter bilden?streamingfan schrieb am 17.06.2024, 10.42 Uhr:
ich werde noch bis August warten, bis alle 8 Folgen verfügbar sind und dann Bingen.User 65112 schrieb am 16.06.2024, 13.07 Uhr:
Sehr schöner Beitrag, danke! "Massenvernichtungsdrachen" gefällt mir sehr gut :-)
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