Das Film- und Fernsehserien-Infoportal

Log-In für "Meine Wunschliste"

Passwort vergessen

  • Bitte trage Deine E-Mail-Adresse ein, damit wir Dir ein neues Passwort zuschicken können:
  • Log-In | Neu registrieren

Registrierung zur E-Mail-Benachrichtigung

  • Anmeldung zur kostenlosen Serienstart-Benachrichtigung für

  • E-Mail-Adresse
  • Für eine vollständige und rechtzeitige Benachrichtigung übernehmen wir keine Garantie.
  • Fragen & Antworten
Vielschichtige, kunstvolle Romanadaption um Emanzipation und Verbrechen im "Jazz Age"
Natalie Portman (l.) und Moses Ingram in "Lady in the Lake"
Apple TV+
TV-Kritik/Review: Starke Natalie Portman in neuer Serien-Perle "Lady in the Lake"/Apple TV+

Beim Namen Baltimore denkt der erfahrene Serienfan vermutlich gleich an die Serien von oder nach (den erzählenden Sachbüchern von) David Simon wie  "Homicide",  "The Corner" und vor allem  "The Wire", das längst als wegweisender moderner Klassiker gilt. All diese Produktionen zeigten die größte Stadt Marylands als Moloch des Verbrechens und des Drogenkonsums, als lost place mit entkerntem Zentrum und verfallenden Außenbezirken. Aber 1966 hatte dieser Niedergang noch nicht begonnen und so sehen wir in  "Lady in the Lake" ein ganz anderes Baltimore mit einer lebendigen Innenstadt, in der das Nachtleben in zahlreichen Jazzclubs tobt. Organisiertes Verbrechen spielt allerdings auch hier schon eine zentrale Rolle.

Die israelisch-amerikanische Regisseurin Alma Har'el hat den gleichnamigen Roman von Laura Lippman (der auf Deutsch 2021 als "Wenn niemand nach dir sucht" erschienen ist) als siebenteilige Miniserie für Apple TV+ adaptiert und die ersten beiden Folgen auch selbst geschrieben. Lippman wiederum wurde durch zwei reale Mordfälle aus ihrer Jugendzeit zu der komplexen Geschichte inspiriert, die zwei kulturelle Milieus zusammenführt, die sonst eher als Parallelwelten nebeneinander existierten: die jüdische Upperclass und die afro-amerikanische Community. Wohlgemerkt: Wir befinden uns hier noch zur Zeit der "Rassentrennung" in den USA, die etwa in Maryland bis 1967 Ehen zwischen Schwarzen und Weißen verbot - wobei eine außereheliche Affäre schon reichte, um angezeigt werden zu können.

Im Mittelpunkt der Serie stehen zwei starke Frauen: Die Afro-Amerikanerin Cleo Johnson (Moses Ingram) kommentiert das Geschehen als Off-Erzählerin aus der Rückschau. Sie ist die titelgebende Frau aus dem See, die anscheinend zum Mordopfer geworden ist - respektive werden wird, denn zunächst sehen wir sie noch höchst lebendig. Die Mutter zweier Kinder hat gleich mehrere Jobs: Tagsüber posiert sie als lebende Schaufensterpuppe in einem großen Kaufhaus (unfassbar, dass das ein echter Beruf war!), abends ist sie Buchhalterin, Barkeeperin und Empfangsdame in einem Nachtclub, in dem neben heißer Livemusik auch dem illegalen Glücksspiel in Form einer Lotterie gefrönt wird. Herr dieser Lotterie ist der städtische Unterweltboss Shell Gordon (Wood Harris, wohl nicht zufällig einst der Kingpin Aaron Barksdale in "The Wire").

Eine Frau mit vielen Gesichtern: Cleo Johnson (Moses Ingram)
Eine Frau mit vielen Gesichtern: Cleo Johnson (Moses Ingram) Apple TV+

Die zweite zentrale Frauenfigur ist Maddie Schwartz (Natalie Portman,  "Black Swan",  "Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger"), eine jüdische Vorort-Hausfrau, die ihren Gatten Milton (Brett Gelman) samt gemeinsamem Sohn überraschend verlässt und in ein kleines Apartment in einem Schwarzen Stadtteil von Baltimore zieht. Sie fängt bei einer großen Tageszeitung an, wo sie trotz ihrer Erfahrungen bei der Schülerzeitung erstmal nur die Auswahl und Beantwortung der Leserpost anvertraut bekommt - schreiben darf sie nur die Antworten auf die Briefe, die nicht abgedruckt werden. Aber Maddie ist ehrgeizig und verbeißt sich in die Recherchen an gleich zwei (mutmaßlichen) Kriminalfällen: dem Mord an der elfjährigen Tessie Fine, die sie selbst während einer Suchaktion im See gefunden hat, und dem Verschwinden von Cleo Johnson. Beide kannte sie persönlich: das Mädchen als Tochter von Bekannten aus ihrer jüdischen Gemeinde, Cleo durch eine Zufallsbegegnung als Kundin des Kaufhauses, in dem jene die Kleider "probegetragen" hat.

Lippman und Har'el machen es den Zusehenden nicht leicht, erzählen sie doch die Geschichte nicht durchgehend chronologisch, sondern mit zahlreichen Rückblenden bis in die 1940er Jahre und auch mit Auslassungen auf der Haupthandlungsebene, die erst später nachgereicht werden. Dazu kommen immer wieder symbolisch aufgeladene (Alb-)Traumsequenzen, die insbesondere in der vorletzten Episode zeitlich völlig ausufern. Mögliche Deutungen werden durch ein mehrfach zitiertes Traumbuch gleich mitgeliefert, aber ob die Schafe wirklich kommendes Glück anzeigen? Dazu kommen kryptisch anmutende Episodentitel, die sich als Dialogzitate entpuppen, etwa "Wussten Sie, dass Seepferdchen auch Fische sind?". Das alles unterstreicht den literarisch anmutenden Charakter der Erzählung, der sich in der höchst künstlerischen Art der Inszenierung fortsetzt. Assoziationen an Toni Morrisons Roman "Jazz" von 1992 werden wach, wenn sich die ausgelassene Atmosphäre bei Jazz-, Blues- und Soulkonzerten mit der allgegenwärtigen Kriminalität und dem Aufeinanderprallen der verschiedenen Kulturen vermischt.

Maddie Schwartz (Natalie Portman, r.) mit neuer Freundin Judith (Mikey Madison)
Maddie Schwartz (Natalie Portman, r.) mit neuer Freundin Judith (Mikey Madison) Apple TV+

Cleos Freundin und Kollegin Dora (Jennifer Mogbock) ist eine begabte wie begehrte Nachtclubsängerin, die aber auch ein massives Drogenproblem hat. Maddie kämpft sich mit journalistischem Talent und Hartnäckigkeit in der Zeitungshierarchie der älteren Weißen Männer nach oben, gerät bei einem Interview mit der Mutter eines inhaftierten Mordverdächtigen selbst in Lebensgefahr und beginnt eine stürmische verbotene (siehe oben) Affäre mit dem Schwarzen Polizisten Ferdie Platt (Y'lan Noel), der seinen Beruf auch nicht ganz koscher ausübt. Lippman packt viele wichtige soziale Themen in ihre Erzählung, von den Schuldgefühlen, die oft mit weiblicher Emanzipation einhergehen, bis zum schwierigen Zusammenleben der Ethnien und Religionen - Themen, die heute nicht weniger aktuell sind als in den 1960ern. Und schließlich schleppt Maddie noch einige dunkle Geheimnisse aus ihrer Jugend mit sich herum, die das eine oder andere Trauma hinterlassen haben dürften.

Natalie Portman gelingt es in ihrer ersten Serienhauptrolle, ein vielschichtiges Porträt einer problembeladenen, aber dennoch psychisch starken Frau zu vermitteln. Ebenso überzeugt Moses Ingram als Schwarze Frau, die trotz aller Widerstände von Gesellschaft und Patriarchat ihren Weg geht. Auch sämtliche Nebenrollen sind sehr gut gespielt. Die Laufzeit von knapp sieben Stunden ermöglicht eine adäquate Umsetzung der verschachtelten und auch thematisch komplexen Romanvorlage. Har'els künstlerischer Ansatz wird Lippmans Erzählung mehr als gerecht, auch wenn er zur Folge hat, dass man als ZuschauerIn schon sehr genau aufpassen muss, um nicht den Überblick zu verlieren. Ein besonderer Pluspunkt ist die mitreißende Musik, die großartigen Interpretationen von Standards des zweiten Jazz Age viel Raum schenkt. Und am Ende hält die Serie noch ein paar fette Überraschungen bereit.

Verbotene Liebe: Officer Ferdie Platt (Y'lan Noel) und Maddie
Verbotene Liebe: Officer Ferdie Platt (Y'lan Noel) und Maddie Apple TV+

"Ich habe das Gefühl, dass wir unter anderen Umständen Freundinnen hätten werden können", sagt Maddie Schwartz - die längst wieder ihren Geburtsnamen Morgenstern angenommen hat - am Ende zu Cleo Johnson. "Und welche Umstände hätten das sein können?", fragt die spöttisch zurück. "Lady in the Lake" stellt die Lebensgeschichten zweier Frauen gegenüber, die sich trotz aller (weitgehend sozial konstruierter) Unterschiede im Kern sehr ähnlich sind - die aber einige Jahrzehnte zu früh geboren wurden, um sich auf gleicher Ebene begegnen zu können. Gerne taucht man in die Leben dieser beiden faszinierenden Frauenfiguren ein, wenn sie so gelungen inszeniert sind.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der kompletten Miniserie.

Meine Wertung: 4.5/5

Die ersten beiden Episoden von "Lady in the Lake" sind ab dem 19. Juli bei Apple TV+ abrufbar. Die weiteren werden dann jeweils freitags veröffentlicht.


 

Über den Autor

  • Marcus Kirzynowski
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit "Ein Colt für alle Fälle", "Dallas" und "L.A. Law" auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für TV Wunschliste und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Beitrag melden

  •  

Leserkommentare

  • Flapwazzle schrieb am 20.07.2024, 08.43 Uhr:
    "Und am Ende hält die Serie noch ein paar fette Überraschungen bereit."
    Ich hoffe, damit sind dann abschließende Wendungen gemeint und nicht üble Cliffhanger. So oft, wie neuerdings (aus Sparzwängen) Serien abgesetzt werden, machen diese angekündigten Übergänge in "mögliche" Staffeln nämlich keinen Spaß mehr.
  • Sentinel2003 schrieb am 19.07.2024, 18.20 Uhr:
    Natalie ist bis heute der absolute Hammer!!!