Das Film- und Fernsehserien-Infoportal

Log-In für "Meine Wunschliste"

Passwort vergessen

  • Bitte trage Deine E-Mail-Adresse ein, damit wir Dir ein neues Passwort zuschicken können:
  • Log-In | Neu registrieren

Registrierung zur E-Mail-Benachrichtigung

  • Anmeldung zur kostenlosen Serienstart-Benachrichtigung für

  • E-Mail-Adresse
  • Für eine vollständige und rechtzeitige Benachrichtigung übernehmen wir keine Garantie.
  • Fragen & Antworten

TV-Kritik/Review: "NCIS: Origins": Gibbs als in die Gegend stierender Trauerkloß und analoge Ermittlungen

Prequel zum Krimi-Dauerbrenner überrascht mit Mut zur Düsternis und Mystery-Zugabe
Der Mentor und der Mann in Trauer: NIS-Teamchef Mike Franks (Kyle Schmid, l.) gerät mit Probe-Agent Leroy Gibbs (Austin Stowell) aneinander.
CBS
TV-Kritik/Review: "NCIS: Origins": Gibbs als in die Gegend stierender Trauerkloß und analoge Ermittlungen/CBS

Machen wir uns nichts vor: Nach 21 Staffeln  "Navy CIS" und drei Spin-Offs ist es nicht unbedingt das radikal Neue, was man erwarten wollte, als nun auch noch eine Prequel-Serie angekündigt wurde. Doch die  "NCIS: Origins", die nun bei CBS mit einer Doppelfolge gestartet sind (flankierend zum Beginn der 22. Staffel der Mutterserie), wissen in Maßen zu überraschen: mit einer erstaunlich düsteren, Mystery-zentrierten Neuperspektivierung einer altbekannten Figur. Leroy Jethro Gibbs, 435 Folgen lang von Mark Harmon gespielt, taucht hier als junger Mann am Anfang seiner Karriere auf -erstmals nicht in einer Chefposition, dafür als traumatisiertes Psychowrack.

Das ungebrochen populäre Franchise rund um die Strafverfolgungsbehörde des US-Marineministeriums steht für eine verlässliche Mischung aus Procedural-Krimi, Seifenoper und Workplace Comedy. Ab und an wird der Schwerpunkt anders gesetzt, ab und an wechseln die Teammitglieder, doch auch nach Harmons Ausstieg zu Beginn der 19. Staffel wurde, nun mit Gary Cole als Teamleiter, an diesem Prinzip nicht gerüttelt. Schon gar nicht wich man davon in den Spin-Off-Serien ab:  "New Orleans" lief sieben Staffeln lang,  "Hawaii" drei, und die 2023 gestartete  "Sydney"-Variante wurde jüngst um eine Staffel verlängert.

Das Prequel, konzipiert von Gina Lucita Monreal und David J. North, zwei langjährigen Produzenten der Hauptserie, erledigt zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens gibt es einen Nachschlag in Sachen Gibbs, der nach wie vor beliebtesten Figur des gesamten Franchise, über dessen Werdegang hin zum souverän auftretenden "Vater der Kompanie" Details nachgeliefert werden können; zweitens werden die altbekannten Procedural-Routinen durch diese Retro-Rolle zurück ins letzte Jahrtausend aller heute selbstverständlichen webbasierten Investigativmethoden entledigt. "Navy CIS" in Analogform: ein Fest für Nostalgiker!

Eingefleischte NCIS-Fans haben im Vorfeld moniert, dass das, was da erzählt werden soll, eigentlich nichts Neues sei: Gibbs' Trauma, die Ermordung seiner ersten Frau samt Tochter in der Heimat, während er sich als Marine-Sniper im "Desert Storm" in Irak im Einsatz befand, war in der Mutterserie weidlich Thema. Die neue Serie denkt tatsächlich auch nicht daran, an dieser Geschichte zu rütteln. Aber sie führt eben genau ins Zentrum des Schmerzes: in die Zeit unmittelbar nach Gibbs' Rückreise aus dem Irak, 1991, als er, direkt nach der Beerdigung von Frau und Tochter, im Camp Pendleton an der kalifornischen Küste seinen Dienst antritt, als Special Agent in Probezeit beim NIS (die Behörde wurde erst 1992 in NCIS umbenannt).

Trägt die Kappe gern nach hinten: Lala Dominguez (Mariel Molino) ist der Hotshot im NIS-Team.
Trägt die Kappe gern nach hinten: Lala Dominguez (Mariel Molino) ist der Hotshot im NIS-Team. CBS

In Flashbacks der Mutterserie wurde der junge Gibbs von Mark Harmons Sohn Sean Harmon gespielt. Den Part durfte der nun allerdings nicht erneut übernehmen. Der Job ging stattdessen an den bislang eher unbekannten Austin Stowell: Ihn und sein beeindruckend kantiges Kinn, mit dem man Edelsteine schleifen könnte, könnte man am ehesten noch aus dem Indie-Thriller  "Swallow" kennen, der bei uns nur auf Heimmedien erschien.

Dass Stowell mit Mark Harmon optisch allenfalls rudimentäre Ähnlichkeiten hat, viel größer und breitschultriger daherkommt, ist letztlich kein Problem. Irritierender ist, dass er in den ersten beiden Episoden, die als Doppelfolge die Staffel soeben eröffnet haben, vor allem als hölzern in die Gegend stierender Trauerkloß inszeniert wird. Fast ist man geneigt, ihn in Sachen Sperrholzplattenmimik mit Alan "Reacher" Ritchson zu vergleichen. Doch die häufig glasigen, gelegentlich sogar feuchten Augen verraten, warum dieser Minimalismus seinen Sinn hat: Leroy Gibbs läuft zu diesem Zeitpunkt seines Lebens schwer traumatisiert durch die Gegend. Er wirkt abwesend, funktioniert nur auf Autopilot, gerät dennoch leicht in Wut (und in Kneipenschlägereien). Kein Wunder, dass das Team um ihn herum umso lebendiger wirkt. Dieser Kontrast scheint mit Absicht hergestellt worden zu sein, um ihn dann nach und nach abräumen zu können - hoffentlich zumindest.

Den Mann, der Gibbs "auf Probe" eingestellt hat, kennen NCIS-Fans schon aus der Mutterserie: Special Agent Mike Franks ist Gibbs' Mentor und zudem Vorgänger als Chef des "Major Case Response Team" im NIS. Ab Staffel 3 tauchte er (gespielt von Muse Watson) immer wieder in Flashbacks auf und dann, bis zu Franks' Krebstod, auch in der laufenden Erzählung. Die jüngere Version des polterigen Ermittlers mit dem Biker-Schnurrbart wird nun von Kyle Schmid ( "Six",  "Copper") verkörpert - und der schmeißt sich derart rein in diese cowboyhafte, auf Regeln pfeifende, kettenrauchende, im Südstaatenzungenschlag herumknödelnde Renegatenfigur, dass die Grenze zur Karikatur mehrfach eingerissen wird. Zumindest anfangs. Auch hier, wie beim brütenden, stillgelegten Gibbs, scheint die Strategie zu sein: eine Extremposition zu markieren, die dann sukzessive eingerissen werden kann. Erste Anzeichen dafür gibt es schon: Auf ruppige Verhöre bereitet sich Franks mit Bangles-Songs via Walkman vor, und liiert ist er mit einer Native American (Tonantzin Carmelo aus  "Into the West"), die ein bis dato ungenanntes Trauma mit sich herumschleppt.

Mystery-Momente in der Procedural-Routine: Was treibt Franks mit Agent Vera Strickland (Diany Rodriguez)?
Mystery-Momente in der Procedural-Routine: Was treibt Franks mit Agent Vera Strickland (Diany Rodriguez)? CBS

Als Widerpart (und mögliches Love Interest) für Neuling Gibbs und als Sparringspartnerin für den Sexismus von Franks ist mit Special Agent Lala Dominguez (Mariel Molino,  "Gelobtes Land") die passende Figur im Team: ein freigeistiger, selbstbewusster Hotshot, eine lässige Veteranin, bei der man sich fragt, wie man mit kaum dreißig Jahren (anno 1991, als Latina!) schon derart veteranenhaft militärische Männerdomänen durchpflügen kann. Doch wie immer im NCIS-Franchise fragt man sich so etwas besser nicht allzu lang: Dominguez trägt die NIS-Kappe selbst am Tatort keck rückwärts, das muss als Rebellinnencharakterisierungsmaßnahme ausreichen. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass Molino eine echte Entdeckung ist.

Eher am Rande eingeführt werden die beiden weiteren weiblichen Figuren im Cast: Tyla Abercrumbie ( "The Chi") spielt Mary Jo, die Chefsekretärin im Hauptquartier, eine mütterliche Figur, die bislang aber nur kurz auftauchte. Diany Rodriguez hingegen, schon in  "The Blacklist" positiv aufgefallen, hat als Special Agent Vera Strickland, die aus bislang ungenanntem Grund nicht in Franks' Team dabei ist, erkennbar Potenzial. Eine längere Dialogszene mit Lala gehört zu den Highlights der Doppelfolge, und ein geheimes Treffen mit Franks deutet Hintergründe an, die die Staffel sicher noch beschäftigen wird. NCIS-Experten werden den Namen Vera Strickland sicher direkt einordnen können: Auch sie tauchte schon kurz in der Originalserie auf, kurz vor dem Ruhestand, in Staffel 11, gespielt von Roma Maffia.

Für den NCIS-typischen Comic Relief sollen rund um das Kernteam gleich mehrere Charaktere sorgen: Special Agent "Randy" Randolf (Caleb Foote aus  "Made for Love") ist der Freundlich-Korrekte im Team;  "Saturday Night Live"-Comedian Bobby Moynihan füllt die Position des skurrilen Forensikers ohne Mühe;  "Tank Girl" Lori Petty bastelt als pinkhaarige Pathologin zersprungene Schädel zusammen; Michael Harney ( "Orange is the New Black") hütet die Asservatenkammer und Patrick Fischler ( "Happy!") changiert als Cliff Wheeler, Chef der Pendleton-Agenten, gekonnt zwischen cholerisch und neurotisch.

Der Hintergrund, vor dem das Team agiert, ist anno 1991 noch weitgehend analog: Klobige PC-Türme stehen in den ohnehin sehr behelfsmäßig zusammengezimmerten Büros, der Discman ist noch quasi unbekannt, forensische Analysen dauern Tage, entscheidende Hinweise verbergen sich auf zerfledderten VHS-Tapes, und im Autoradio plärren entweder Pearl Jam oder Mötley Crüe. Dieses Retro-Reenactment bleibt zwar durchgehend präsent, im schönen Kontrast zu den glitzernd-modernen NCIS-Welten der Schwesterserien, schiebt sich aber nie aufdringlich in den Vordergrund.

Haben das Team stets im Blick: SAC Cliff Wheeler (Patrick Fischler, l.) und Field Operation Support Officer Mary Jo Hayes (Tyla Abercrumbie)
Haben das Team stets im Blick: SAC Cliff Wheeler (Patrick Fischler, l.) und Field Operation Support Officer Mary Jo Hayes (Tyla Abercrumbie) CBS

Der "Fall der Woche" ist diesmal ein "Fall der Doppelfolge": Es geht um einen Scharfschützen, der eine drogensüchtige Latina erschossen hat und danach, so scheint es, auch eine Gruppe junger Leute an einem Lagerfeuer am Strand. Dass der von den Medien "Sandman" getaufte Mörder am Ende gefasst wird, passt ins Bild des Üblichen, und doch bleiben Zweifel, ob der Fall tatsächlich gelöst wurde. Überhaupt scheint er vorgeblich arrangiert worden zu sein, um ihn als Spiegelfläche für den zerrütteten Gibbs zu nutzen. Tierskelette in einer Waldhütte, düstere Tunnel voller Crack-Zombies, eine kopflose, verbrannte Leiche auf dem Pathologietisch: Der dänische Regisseur Niels Arden Oplev, abgrunderfahren seit seinem Stieg-Larsson-Film  "Verblendung", inszeniert das NCIS-unüblich düster, hart am Neo-Noir und teilweise überdurchschnittlich spannend, gemessen am Franchise-Üblichen. Er beglaubigt das Szenario als geeigneten Trigger für die Flashbacks, von denen Gibbs heimgesucht wird.

Irgendwann steht dann auch noch dessen Vater vor der Tür. Auch ihn kennt man schon aus der Mutterserie. Hier wird der Mann, dessen Beziehung zum Sohn notorisch gespannt ist, von  "Longmire"-Star Robert Taylor gespielt: Du bist jetzt ein Navy-Cop? Dafür bist du nicht gemacht, mein Sohn. Wie sich aus Gibbs, diesem niedergeschmetterten Mann, die uns bekannte Figur entwickeln soll, wie er in seiner Team-Position von der Peripherie ins Zentrum rücken und sich Hauptdarsteller Stowell aus dem anfänglichen Loch emporarbeiten kann, das sind die zentralen Fragen von "NCIS: Origins".

Die Grundkonflikte liegen ja schon vor: Dominguez scheint eifersüchtig zu werden auf Gibbs, weil der plötzlich bei Franks Priorität genießt, was Franks gegen Dominguez in Stellung bringt. Franks wiederum verbirgt Schuldgefühle, weil er es war, der den Mörder von Gibbs' Frau nicht erwischen konnte. Diese Handlungslinien dürften sich fortsetzen, und ein zusätzliches Rätsel kommt noch dazu - eines, das man im Umfeld der NCIS-Plot-Schablonen nicht unbedingt erwartet hätte: In einer Rahmenhandlung und aus dem Off erzählt Mark Harmon höchstpersönlich als gealterter Gibbs das Gezeigte. Mit heftigen Andeutungen kennzeichnet der 73-Jährige die Handlung als eine "Geschichte, die ich eigentlich nie erzähle": Es sei vor allem die Geschichte über eine der (neu eingeführten) Figuren. Dieses Mystery-Element wirkt. Es tut dem NCIS-Franchise gut - und bringt eine horizontale Erzähldynamik in die Ermittlerroutine, von der man gespannt sein darf, wie weit sie trägt. Der Anfang verspricht mehr als erwartet.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Episoden von "NCIS: Origins".

Meine Wertung: 3.5/5

"NCIS: Origins" wird in den USA seit dem 14. Oktober ausgestrahlt. Eine deutsche Heimat oder gar ein Premierendatum sind noch nicht bekannt.


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

Beitrag melden

  •  

Leserkommentare

  • Axelm1 schrieb am 16.10.2024, 18.34 Uhr:
    Wer braucht noch ein Spin Off? Hätten lieber Hawaii weitermachen sollen als mit so einem Cliffhänger auf zu hören. Es ist eine Schande was die Programmmacher sich da leisten
  • Hauptkommissar schrieb am 16.10.2024, 18.02 Uhr:
    Kleine Korrektur: Mark Harmon Spielte in 418!!! Folgen "Navy CIS", 4 Folgen "Navy CIS: New Orleans" und 2 Folgen "JAG" mit sind zusammengezogen 424 Folgen Ansonsten bin ich mit "NCIS: Origins" sehr Überrascht