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Auftakt zur neuen ARD-Mysteryreihe überzeugt visuell mehr als erzählerisch
Lichtgestalt in dunklen Angelegenheiten: Pianistin Lara (Rosalie Thomass) sucht ihre verschwundene Nichte.
Das Erste
TV-Kritik/Review: "Wäldern": Das Grauen lauert hinter Wipperfürth/Das Erste

Unheimlich ist's im blickdichten Gebüsch: Wenn sich das deutsche Fernsehen der Mystery zuwendet, verschwindet es gern im finsteren Forst. Die Motive der Romantik lassen sich auch in Zeiten flächendeckender Waldbewirtschaftung nicht so einfach beiseite legen: Hänsel und Gretel hatten sich ja nicht umsonst im Wald verirrt und nicht etwa auf der Freifläche vor dem örtlichen Baumarkt. Im zweiteiligen Auftakt der (möglichen) neuen Reihe  "Wäldern" (ab 11. September in der ARD-Mediathek, Fernsehpremieren: 18. und 20. September), steht das großzügig bewaldete Bergische Land im Mittelpunkt, das im Vergleich zu Spreewald, Schwarzwald und Harz in punkto Bildschirmpräsenz noch aufholen kann. In den Wäldern zwischen Waldbröl und Wipperfürth spielt sich Unerklärliches ab - so Unerklärliches freilich, dass auch Autor/Regisseur Till Franzen nicht immer hinterherkommt. Optisch sind die beiden 90-Minüter sehr gelungen, der Rest ist noch ausbaufähig.

Hauptdarstellerin Rosalie Thomass ( "Die Liebeskümmerer") ist immer eine gute Wahl, ist sie doch sowohl zu beherzt-zupackendem wie auch hintergründig-durchlässigem Spiel befähigt - und gerade Letzteres kommt ihr hier sehr zugute. Als Lara Glanz kehrt sie in ihr fiktives Heimatdorf zurück. Es heißt "Wäldern" (was das vermeintliche Dativ-"n" im Titel erklärt) und liegt irgendwo im Bergischen Land. Lara ist eigentlich Pianistin, hat nun aber in der lokalen Oberschule als Musiklehrerin angeheuert. In ihrer Freizeit betätigt sie sich als Privat-Ermittlerin. Der Grund für ihre unerwartete Rückkehr war, natürlich, etwas Schlimmes: Ihre Teenager-Nichte Magda ist während einer Waldwanderung - im Rahmen einer Kirchenfreizeit - spurlos verschwunden.

Magdas Mutter Greta, zugleich Laras Adoptivschwester, hatte sich infolge dieses unerklärlichen Ereignisses zu einer Verzweiflungstat hinreißen lassen, weshalb sie inzwischen im Gefängnis sitzt: Narges Rashidi aus  "Gangs of London" spielt sie taff und angriffslustig. Die Polizei in Gestalt des bräsigen Kommissars Ludwig (Ralf Drexler,  "Im Nachtlicht") erscheint dagegen verdächtig untätig, was mit dafür verantwortlich sein dürfte, dass Lara jetzt in Eigenregie hinter den Grund für Magdas Verschwinden kommen will: Regelmäßig steht sie vor einer dieser aus US-Psychothrillern und Profiler-Serien bekannten, mit Zeitungsausschnitten, Fotos und bekritzelten Post-It-Zetteln beklebten Wände, um Sinnzusammenhänge zu erschließen. Bislang ohne Erfolg.

Sitzt nach einer Verzweiflungstat im Gefängnis: Laras Schwester Greta (Narges Rashidi).
Sitzt nach einer Verzweiflungstat im Gefängnis: Laras Schwester Greta (Narges Rashidi). Das Erste

Dann häufen sich merkwürdige Geschehnisse: Ein neuer Mitschüler kommt in ihre Klasse. Der 15-jährige Aaron (erkennbar älter als 15: Laurids Schürmann aus  "Zoros Solo") verhält sich sonderbar, bringt eine in einer Tasche versteckte Katze mit in den Unterricht und kippt schließlich ohnmächtig um. Ein wirrhaariger Gruselgreis begegnet Lara an den unwahrscheinlichsten Orten, nicht zuletzt auf dem Schulklo, und raunt ihr als Jenseitsbote einschlägige Messages zu: Du bist es! oder Sie werden kommen!

In subtiler angelegten Produktionen würde nun versucht, den Ausnahmezustand, in dem Lara sich bald wiederfindet, als Ausdruck ihrer psychischen Destabilisierung zu markieren, in "Wäldern" aber bekommt das Publikum schon recht früh in der ersten Episode zu sehen (oder wenigstens zu ahnen), um was es hier wirklich geht. Was zugleich beweist, dass Lara tatsächlich mit übersinnlichen Gefilden zu tun hat: Tief in den Wäldern gibt es Portale in eine geheime Unterwelt, zumindest Teile der Bevölkerung des Örtchens Wäldern scheinen davon a) zu wissen und b) damit zu tun zu haben. Womöglich ist sogar Lara selbst darin verstrickt, das deutet ihre Schwester Greta bei den Besuchsterminen im Knast zumindest an, und in der zweiten Episode wird es noch expliziter um dieses alte Trauma gehen.

Für deutsche Fernsehproduktionen ungewöhnlich (und lobenswert mutig) ist dabei die zu Beginn überraschend elliptische Erzählweise: Viele Details über bisher Geschehenes und Laras Beziehungen zu den anderen Figuren muss man sich eingangs selbst zusammenreimen; das könnte so manch eingerosteten Regionalkrimi-Fan, dem sonst verlässlich selbst das Naheliegendste ausbuchstabiert wird, aus der narrativen Kurve tragen.

Hat seine Frau an die Ahr-Flut verloren: Rudolf Klein (Peter Franke), Professor und Experte für Paranormales
Hat seine Frau an die Ahr-Flut verloren: Rudolf Klein (Peter Franke), Professor und Experte für Paranormales Das Erste

Abgesehen von Kommissar Ludwig, der ihrerseits ziemlich zwielichtig gezeichneten Schulleiterin Caspari (Tanja Schleiff aus den  "Ella Schön"-Filmen) und dem neuerdings im Rollstuhl sitzenden Pfarrer (Mark Zak) ist von der Bevölkerung des Ortes betrüblich wenig zu sehen. So etwas wie ein Gefühl für den Ort und seine Bewohner will sich daher (noch) nicht so recht einstellen. In der ersten Episode steht vor allem die Familie von Aaron im Fokus: Mutter Carola (Julika Jenkins aus  "Dark") weicht dem Jungen kaum von der Seite, und warum nimmt Vater David (Peter Fieseler,  "Großstadtrevier") seinen Sohn stets mit in den Wald, um dort reglos in die Baumwipfel zu starren und in einer Fantasiesprache zu wispern?

Lara muss nun zunächst mit zwei betont unwahrscheinlichen Mitstreitern zusammengebracht werden, um selbst in die Geschehnisse eingeweiht zu werden: In einem Hexenhaus am Waldrand lebt die übersinnlich begabte Traumatherapeutin Dorothea Freiberg, gespielt von Sabine Vitua ( "Sternenfänger") in gräflichem Duktus, und in einer kleinen Hütte residiert der verwitwete Professor Rudolf Klein (angemessen kauzig: Peter Franke,  "Unter Gaunern"), seit die Ahrtal-Flut ihm Haus und Ehefrau nahm - ein etwas bemühter Einbruch des Real-Tragischen ins fiktive Hokuspokus-Geschehen. Mit Dorothea und Rudolf erfährt Lara von den (keltischen?) Ritualen und Geheimnissen, die die Gegend um Wäldern im Griff haben.

Deutsche und internationale Mystery-Produktionen haben gemeinsam, dass sich größtmögliche Fallhöhe am besten über das Verschwinden junger Menschen herstellen lässt. Daher kommt in der zweiten, inhaltlich nahtlos an die erste anschließenden Folge gleich ein weiteres verschwundenes Mädchen ins Spiel: Merle Rust (Tilda Jenkins aus  "Mirella Schulze rettet die Welt") steht zwei Jahre nach ihrem mysteriösen Abgang plötzlich wieder im Garten ihrer Eltern. Mutter Verena (Judith Bohle,  "Safe") ist überglücklich und will sich die Erleichterung nicht nehmen lassen, Vater Jochen (Moritz Führmann,  "Harter Brocken") dagegen ist skeptisch: Merle verhält sich völlig anders als die Tochter, an die er sich erinnert. Natürlich hat Merles mit Magdas Fall zu tun...

Die Crux an so vielen deutschen Genreproduktionen ist, dass man die Vorbilder, aus deren Versatzstücken sie sich zusammensetzen, allzu leicht erkennt. Im Fall von Wäldern lugen "Dark",  "Twin Peaks" und sogar die Upside-Down-Welt aus  "Stranger Things" als Einflüsse um jeden zweiten Baumstamm, und auch die wohl beste aller französischen Mysteryserien,  "The Returned", die um totgeglaubte und zurückkehrende Kinder kreist, stand zumindest in Teilen Pate für das Skript von Till Franzen und Martin Simons, das auch sonst alles an rätselhaften Schriftzeichen, Symbolen, Flüsterstimmen und Hypnosesessions auffährt, was das Genre hergibt. Sogar rückwärts abgespielte Tonbandaufnahmen fehlen nicht.

Ermittlertrio zwischen Wald und Hexenhaus: Lara und Rudolf besprechen sich mit Traumatherapeutin Dorothea (Sabine Vitua, M.).
Ermittlertrio zwischen Wald und Hexenhaus: Lara und Rudolf besprechen sich mit Traumatherapeutin Dorothea (Sabine Vitua, M.). Das Erste

Franzen ist ohne Zweifel ein fähiger, versierter Regisseur ( "Weinberg"), der auch schon mit eigenen Stoffen hervorgetreten ist (sein Kino-Debüt  "Die blaue Grenze", eine Mystery-Romanze, bleibt in bester Erinnerung), in "Wäldern" aber kriegt er nicht genug Spannung in das derivative Geschehen. Rosalie Thomass stapft mit staunenden Augen durch Schule, Wälder und dunkle Keller, es geht um unterdrückte Erinnerungen, Familiengeheimnisse, alte Opferstätten und "Geschichten, die man sich seit Urzeiten erzählt" (Zitat), sogar um eine Art Todeshauch, der hier in andere Menschen hineingepustet wird, doch für echten Thrill und effektiven Suspense ist das alles am Ende doch zu wenig. Was auch an der Erzählgeschwindigkeit liegen mag. Einerseits ist es erfrischend, dass ein Stoff, der normalerweise in einer mehrteiligen Mysteryserie ausgebreitet würde, hier quasi im  "Tatort"-Tempo durchgezogen wird, andererseits geht das auf Lasten einer gewinnbringenden Atmosphärenentwicklung. Etwas mehr Raum zum Atmen hätte der sich schließlich nicht zuletzt aus dem Setting ergebenen Spannung gewiss gutgetan.

Optisch allerdings macht "Wäldern" viel her. Immer wieder lässt Kamerafrau Alina Albrecht ihr Arbeitsgerät unheilschwanger durch verlassene Schulkorridore gleiten oder via Drohne über ebenso malerische wie auch unheimliche Baumwipfel schweben (gedreht wurde nicht nur im Bergischen Land, sondern auch in der Eifel). Einige der Bäume sehen ungut abgestorben aus oder scheinen einzeln in bunten Farben herausgestellt zu sein, wie ein naturmystischer Code. Merles karottenrote Haare passen hinreißend gut in die herbstliche Farbpalette, Laras helle Garderobe setzt sich markant ab vom dunklen Forst: Franzen und Albrecht wissen sehr genau, wie man die Provinz zum Leuchten und ihre Schatten(-seiten) zur Wirkung bringt.

Es ist also keineswegs so, dass "Wäldern", trotz des inhaltlich etwas blutleeren Beginns, über kein ausreichendes Potenzial verfügt. Lara, Dorothea und Rudolf sind als sonderbares Trio allemal ein "Ermittler"-Team, das man sich auch in weiteren Fällen vorstellen könnte. In denen hätten die Autoren dann auch die Gelegenheit, die Bevölkerung von Wäldern, die sich stets im selben Gasthof zu treffen scheint, näher zu beleuchten. Im freundlichen Jungpolizisten Joris (Max Bretschneider), der mit der (offenbar alleinstehenden) Lara lang bekannt ist, steht sogar ein potenzielles Love Interest bereit.

Es bliebe allerdings zu entscheiden, ob sich das bisherige Setting dafür vom bisherigen Konzept lösen müsste - oder gerade nicht. Bislang ist Lara persönlich tief in den Magda-Fall involviert, und da dieser am Ende der ersten beiden Fälle nicht "gelöst" ist, sondern, ganz im Gegenteil, mit gleich drei Cliffhangern endet, dürfte das voraussichtlich auch erst einmal so bleiben. Würde in "Wäldern" aber alles auseinanderfallen, wenn Lara es mit einem ganz anderen Fall zu tun bekäme? Oder wäre es, umgekehrt, eine mögliche Befreiung? Sollten weitere Teile produziert werden, wird es hoffentlich Antworten darauf geben.

Dieser Text basiert auf der Sichtung beider bisheriger Teile der Filmreihe "Wäldern".

Meine Wertung: 3/5

"Wäldern" steht ab dem 11. September in der ARD Mediathek zum Abruf bereit. Die lineare Ausstrahlung im Ersten erfolgt am 18. September ab 20.15 Uhr und am 20. September ab 22.20 Uhr.


 

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für TV Wunschliste rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 ("Lonely Souls") ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 ("Pine Barrens"), The Simpsons S08E23 ("Homer's Enemy"), Mad Men S04E07 ("The Suitcase"), My So-Called Life S01E11 ("Life of Brian") und selbstredend Lindenstraße 507 ("Laufpass").

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